
AR-Apps zum Mauerfall: Wenn das Handy zur Zeitmaschine wird
Mit zwei neuen Apps kann man in der Geschichte zu Schauplätzen der friedlichen Revolution zurück reisen. Oder ein Selfie mit David Hasselhoff machen.
Ein Model posiert vor dem Palast der Republik, eine ältere Frau steht vor der Berliner Mauer und zeigt das Peacezeichen; Schaulustige beobachten, wie diese Mauer aufgestellt wird - Stein für Stein - wohl kaum ahnend, wie sehr sie später ihr Leben bestimmen würde. Mit zwei Apps kann man zurück an diese geschichtsträchtigen Orte reisen, sehen, wie sie damals aussahen. Virtuell natürlich.
„Dein Handy wird zur Zeitmaschine“, sagt Anne-Sophie Panzer, die die Augmented-Reality-App Tagesspiegel 89/19 zusammen mit Stefan Marx entwickelt hat. Die beiden sind Gründer des Startups Zaubar. Auf interaktiven Touren durch die geteilte Stadt erkennt die App, wo sich der Nutzer befindet und blendet ein Originalfoto aus jener Zeit ein.
40 Orte in Berlin
Mauer, historische Gebäude und Persönlichkeiten sind dann genau dort im Handybildschirm zu sehen, wo sie sich befanden. So verschwimmt die Realität mit der Aufnahme zu Mauerzeiten. "Man bekommt ein faszinierendes Gefühl für die Geschichte des Ortes", sagt Marx.

In Berlin gibt es 40 solcher Orte mitsamt kurzer Informationen zum Foto zu entdecken, die meisten davon in Mitte. Am beeindruckendsten finde sie das Bild am Potsdamer Platz, sagt Panzer. Die App gebe einen Blick über das Niemandsland, dem sogenannten „Todesstreifen“ zwischen den beiden Grenzmauern. Durch die starke Bebauung sei von der Geschichte heute nichts mehr zu sehen.
Ein Selfie mit David Hasselhoff
Die „Tagesspiegel 89/19“-App hat noch eine zweite Funktion, bei der die Mauer oder verschiedene prominente Protagonisten maßstabsgetreu in den Raum eingeblendet werden, in dem man sich gerade befindet. So kann man erleben, wie ein Stück Mauer das eigene Wohnzimmer zerteilt – genauso, wie sie damals plötzlich das Leben von zahlreichen Berlinern zerteilte.
Es können aber auch Fotos Seite an Seite mit Erich Honecker und David Hasselhoff geknipst werden. Und man kann ein Stück Mauer in Originalgröße im eigenen Wohnzimmer oder auf seiner Straße virtuell im Raum platzieren.
Die virtuelle Mauer
Auch die App „MauAR Berlin“ arbeitet mit Augmented Reality und baut an fünf Orten in der Stadt die Grenze virtuell wieder auf. Dazu gibt es jeweils zweiminütige Mini-Hörspiele, in denen ein Protagonist aus Ost- beziehungsweise Westberlin aus der Zeit berichtet.
Das Material dazu ist aus Gesprächen mit 15 Zeitzeugen entstanden, die das Produktionsteam im vergangenen Jahr führte. Besonders spannend finde er die Episode zum Ku'damm, erzählt Peter Kolski, der die App zusammen mit Kulturprojekte Berlin entwickelt hat.
Dort könne man eine Szene unmittelbar nach dem Mauerfall miterleben und sehen, wie die ersten Trabbis über die Westberliner Einkaufsmeile rollten. Auch am Alexanderplatz spielt eine Sequenz, dem Schauplatz einer der größten Demonstrationen der DDR. Er habe miterlebt, wie Menschen, die im November 1989 mit protestiert haben, Tränen in den Augen hatten, als sie durch die Technologie ihre Erlebnisse rekapitulierten, erzählt Kolski. „Das ist sehr, sehr schön.“
Die beiden Apps sind für Apple-Geräte ab dem iPhone 6S und neuer verfügbar. Wer kein passendes Gerät hat, kann sich die Bilder der Tagesspiegel-App auch in einer 360-Grad-Fotoserie online ansehen: Tagesspiegel.de/mauer-interaktiv
Jette Wiese