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SONNTAGS um zehn: Wenn der Pfarrer in die Bütt geht

Karnevalssonntag in St. Christophorus in der Neuköllner Nansenstraße 4

Den ersten Lacher erntet Pater Kalle Lenz gleich bei der Begrüßung: „Wir freuen uns, dass ihr Kinder euch verkleidet habt“, ruft er den Marienkäfern, Cowboys, Krokodilen und Prinzessinnen in den ersten Bankreihen zu. Und ergänzt dann mit neckischem Blick zu den Ministranten „Wir machen das ja jeden Sonntag.“ Sonst geht's in der St.-Christophorus-Gemeinde, die mit ihrer engagierten Obdachlosen-, Armen- und Flüchtlingsarbeit als „Kirche im sozialen Brennpunkt“ bekannt ist, durchaus ernsthaft zu. Aber heute ist bei Katholikens Karnevalssonntag und da wird der Familiengottesdienst mit spaßig-sportivem Mitmachfaktor gefeiert. Außer ausgiebig Singen, Stehen und Knien wird wacker mitgeklatscht, mitgeschnippst, mitgewedelt und auf Kommando gejubelt wie sonst „im Fußballstadion, falls Hertha doch mal ein Tor schießt“, sagt der Pfarrer. Die Begeisterung, mit der die Leute in der 1932 eingeweihten Backsteintrutzburg mitgehen, zeigt, dass sie Überraschungseinlagen gewohnt sind.

Und es kommt noch bunter. Pater Lenz stülpt sich ein Birett, das schwarze Priesterhütchen auf, und steigt sozusagen in die Bütt. „Liebe Freunde, liebe Feinde, liebe närrische Gemeinde“ beginnt die gereimte Predigt. Ihre Bibelvorlage ist diesen Sonntag ausgerechnet eine der berühmtesten Passagen aus dem Matthäus-Evangelium – Jesu' Bergpredigt. Das klingt in Versmaß ausgelegt dann so: „Hier im Reuterkiez sind doch viele arm im Geist/und der Pater Lenz wohl allermeist./Es passt auch zu uns: Selig, die keine Gewalt anwenden!/Also keine Messer in die Lenden,/auch nicht anspucken, anbrüllen und schlagen,/das geht uns doch allen auf den Magen.“ Und endet, wie es sich für eine Büttenpredigt gehört, mit einem „dreifach kräftigen Helau“ statt Amen und jeder Menge Applaus.

Das fromme Ende der fidelen Messe bildet die Verteilung des traditionellen Blasiussegens. Blasius lebte um 300 als Bischof in Armenien und rettete ein Kind, das an einer Fischgräte zu ersticken drohte. Seitdem ist er als heiliger Heiler dafür zuständig, Halsleiden abzuwehren. Die Nachfrage ist enorm, alle strömen nach vorne. gba

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