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Der schwere Unfall ereignete sich im März 2013 auf dem Maifeld am Olympiastadion in Berlin.

© Hannibal/dpa

Vor dem Amtsgericht Tiergarten: Wer ist Schuld am tödlichen Absturz im Schneetreiben?

Ein Pilot der Bundespolizei wehrt sich gegen einen Strafbefehl über 9000 Euro. Er soll vor fünf Jahren den Tod eines Kollegen verursacht haben.

Der Platz des angeklagten Piloten der Bundespolizei blieb leer, der Prozess ging dennoch an den Start: Rund fünf Jahre nach der tödlichen Kollision zweier Hubschrauber bei einer Übung am Olympiastadion wird der Fall vor dem Amtsgericht Tiergarten verhandelt. Dabei wehrt sich der 58-jährige Lothar S. gegen einen im Oktober 2017 verhängten Strafbefehl wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. 9000 Euro sollte der Unglückspilot zahlten. Die Verteidiger erklärte am Montag: „Der Unfall war für Lothar S. unvermeidbar.“

Die Bundespolizei wollte einen Einsatz gegen gewaltbereite Hooligans üben – mit bis zu 400 Beamten. Es sollten auch Einsatzkräfte in drei Helikoptern eingeflogen werden. Ein Landeplatz wurde auf dem Maifeld markiert und 15 Meter davor Einweiser postiert. Die Maschinen starteten am Vormittag des 21. März 2013 vom Flugplatz der Bundespolizei-Fliegerstaffel in Blumberg östlich von Berlin.

Ein sogenannter "Whiteout"

Die Witterungsverhältnisse waren schwierig. Kein matschiger Schnee, sondern Minus ein Grad und einige Zentimeter Neuschnee. „Wir haben uns aber keine Sorgen gemacht, sondern unserer Fliegermannschaft vertraut“, sagte ein 39-jähriger Polizeibeamter im Prozess. Als der erste Hubschrauber – im Cockpit der später Getötete – landete, zeigte sich ein Schneegestöber. Der zweite Helikopter setzte auf. Der dritte Hubschrauber mit S. im Cockpit war im Anflug. Sie sollten in einem  Abstand von nur 20 bis 25 Metern landen.

Die Rotoren wirbelten den Schnee zu einer weißen Wand auf. Plötzlich ein lauter Knall. Trümmerteile folgen durch die Luft. Zuschauer warfen sich in Deckung. Als die Sicht besser wurde, bot sich ein Bild der Zerstörung. Ein Hubschrauber lag auf der Seite. Eine weitere Maschine war stark beschädigt. Bundespolizisten bargen Kollegen aus den Wracks. Für einen 40-jährigen Piloten kam jede Hilfe zu spät.

Es sollen sich als „Whiteout“ gefürchtete Schneewolken entwickelte haben. Die Anklage geht davon aus: Statt durchzustarten und auf bessere Sicht zu warten, habe S. die Landung fortgesetzt. Dabei seien ihm als erfahrenen Piloten die Gefahren bewusst gewesen.

Prozess wird fortgesetzt

Ein tragischer Fall, der seit Jahren verschiedene Gutachter beschäftigt. Die Ergebnisse fielen widersprüchlich aus. Es sei nach Aktenlage „völlig unklar, ob der Angeklagte überhaupt verurteilt werden kann“, so das Gericht im Oktober. Der Vorgesetzte des Angeklagten positionierte sich nun im Prozess klar: Gegen den Piloten sei kein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Und S., „fliegerisch ein alter Hase, absolut gewissenhaft und zuverlässig“, fliege heute, allerdings in Begleitung eines zweiten Piloten. 

Der Verteidiger erklärte weiter: „Die Ereignisse bedeuten auch für meinen Mandanten eine Tragödie.“ Er bedauere zutiefst, dass ein Kollege starb und Menschen verletzt wurden. Doch S. habe nicht mehr ausweichen können. Denn in letzten Sekunden vor dem Unglück sei es zu einem für ihn nicht absehbaren „vollständigen Orientierungsverlust“ gekommen. Der Prozess wird am 11. April fortgesetzt.

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