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Optimistisch bleiben und das Beste zu geben - das gilt für Patchwork-Mütter nicht erst seit Corona.

© Symbolfoto: Imago/Westend 61

Von Stiefmüttern für die Pandemie lernen: Wieso Frauen Corona besser in den Griff bekommen

Frauen sind Profis im Zurückstecken zum Wohle der anderen, vor allem in Patchworkfamilien. Dabei hätten sie jetzt allen Grund, selbstbewusster aufzutreten.

Können Sie das Gejammer auch nicht mehr hören? Dieses „Ich hab mir das alles viel leichter vorgestellt“, „Wo bleiben jetzt meine eigenen Bedürfnisse?“ und „Ich nehme ja Rücksicht. Aber irgendwann ist auch mal gut!“ Ja, so eine Pandemie macht uns alle zu nörgelnden Stiefmüttern.

Tatsächlich sind Frauen, die mit einem Partner leben, der schon Kinder hat, Profis in Sachen Zurückstecken zum Wohle der anderen. Wir wissen, dass wir uns zusammenreißen müssen, damit sich die Lage für alle entspannt.

Zeit, für den besseren Umgang mit den Corona-Einschränkungen von Stiefmüttern zu lernen: Wie bei Covid-19 versuchen wir, optimistisch zu bleiben und unser Bestes zu geben. Aber manchmal wollen wir nur noch raus aus dem Wahnsinn. Willkommen in der Welt der Patchworkfamilien!

Wenn wir uns plötzlich in einer Situation befinden, die Auswirkungen auf unser privatestes Leben hat, ist soziale Intelligenz gefordert. Das ist in einer Pandemie nicht anders als in einer Patchworkfamilie. Vor meiner Haustür erkenne ich wegen der Maskenpflicht meine Nachbarin aus dem dritten Stock nicht mehr. Wenn er sich zur Übergabe seines Kindes mit der Ex trifft, erkenne ich meinen Ehemann nicht mehr.

Manchmal ist der Verlauf dieser Begegnung harmlos. Obwohl er mutiert. Also mein Mann. Wenn er sich bei mir am Handy versehentlich mit „Hi!“ meldet, weiß ich, dass er vorher mit ihr gesprochen hat. Ein Wort aus seinem alten Leben. So wie er mit ihr in die „Disko“ ging. Und mit mir in den „Club“. Wenn er mir Blumen mitbringt, heißt das: Er hat eine Botschaft von der Mutter seines Kindes. Wegen der nicht nur die Schnittblumen ins Wasser fallen, sondern auch meine Wochenendplanung.

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Ein Ehemann, der nach 20 Jahren Beziehung immer noch regelmäßig überrascht? Klingt sexy! Ist es aber nicht. Die Masken, die wir aufgrund des unbekannten Virus tragen müssen, finden wir ja auch nicht geheimnisvoll. Sondern lästig.

Wie wegen Corona sind, wenn das Kind von ihm und der Ex bei uns ist, einige Dinge plötzlich nicht mehr möglich. Die man vermisst, obwohl man sie vielleicht so selten gemacht hat wie einen Museumsbesuch: sich „auf dem Küchenboden lieben“ etwa.

Aline von Drateln, Mutter vom Kollwitzplatz.

© Christobal

Leider gibt es auch niemanden, der die Lösung hat. Bei dem Virus nicht, weil's noch keinen Impfstoff gibt. In unserer Familien nicht, weil, frei nach Leo Tolstoi, jede Patchworkfamilie auf ihre ganz eigene Art unglücklich ist.

Es gibt auch keine Schuldigen. Weder ist China schuld an Corona noch die Stiefmutter am Chaos, weil sie sich ja „freiwillig“ in die Situation begeben hat: Wen die Liebe oder das Virus trifft, können wir uns nicht aussuchen.

Kritisieren könnte man also nur das Krisenmanagement. Aber wer regiert die Patchworkfamilie?

[Lesen Sie auf Tagesspiegel-Plus: Wie Scheidungskinder wieder glücklich werden]

Sie müssen sich eine Patchworkfamilie vorstellen wie Hardcore-Föderalismus. In dem alle ihr eigenes Ding machen. Was anschließend über das Scheidungskind geleakt wird: „Mama geht heute heimlich auf eine Party!“ Gegen die von der Stiefmutter-Fraktion daraufhin sofort einberufene Krisensitzung ist der Streit zwischen den Virologen Streeck und Drosten ein Kindergeburtstag.

Da ertappt man sich plötzlich bei der Sehnsucht nach dem starken Mann. Einen Markus Söder, der im März selbst einige Stiefmütter in Friedrichshain mit seiner Entschlossenheit beeindruckte. Doch viele Männer sind ja nicht mal in Sachen Maske konsequent. Auffällig, wie viele von ihnen die zwar tragen, aber ihre Nase raushängen lassen. Freud hätte vielleicht eine andere Theorie, warum sie das tun. Ich glaube: weil sie sich nicht entscheiden wollen, welchem Lager sie angehören.

Länder, die von Frauen wie Angela Merkel regiert werden, gehen mit der Krise besser um, findet unsere Kolumnistin.

© Michael Kappeler / dpa

Es ist offensichtlich, dass die Länder, die von Frauen geführt werden, die Pandemie besser in den Griff bekommen: Neuseeland, Dänemark, Deutschland. Schlecht läuft's dagegen in England, Brasilien und Amerika mit den größten Nasen unter den Staatsmännern.

Bei den Bestimmungen zu den neuen Corona-Regeln fühlten sich viele übergangen. Obwohl sie in der Sache vielleicht zustimmen, forderten sie mehr Transparenz bei den Entscheidungen.

Vielleicht sollten Stiefmütter ihre Nase selbstbewusster in die Angelegenheiten ihres Mannes stecken und gemeinsame Sache mit seiner Ex machen. Demokratisch. Staatsfraulich. Es ist Zeit für eine weiblichere Patchworkfamilienpolitik.

Aline von Drateln, selbst Scheidungskind, wuchs mit Mutter, Stiefvater und insgesamt vier Schwestern und Halbschwestern auf. Mit 24 wurde sie unerwartet Stiefmutter, als ihr heutiger Ehemann neun Monate nach ihrem Kennenlernen ein Kind von seiner Ex bekam. Mittlerweile haben sie noch zwei gemeinsame Kinder.

Alle 14 Tage erzählt sie im Tagesspiegel von der Zerreißprobe Patchwork: Wie es sich anfühlt, ein Leben lang „die Neue“ zu sein, weshalb sie daran gescheitert ist, die beste Stiefmutter der Welt sein zu wollen – und sich wundert, dass es zwar „Familienväter“ gibt, aber keine „Familienmütter“.

Lesen Sie hier Folge 1: Blut ist dicker als Wasser? Deswegen schwimmen wir noch lange nicht im gleichen Viren-Pool!

Lesen Sie hier Folge 2: Von wegen böse Stiefmutter - Aschenputtel!

Lesen Sie hier Folge 3: Wir Stiefmütter sind ein vollwertiger Teil der Familie!

Lesen Sie hier Folge 4: Unser Baby, die Exfrau und ich

Lesen Sie hier Folge 5: Fifty-fifty kann für Kinder so ungerecht sein

Lesen Sie hier Folge 6: Bei Stiefvätern reicht es schon, dass sie die Kinder nicht auffressen wie ein Löwe

Lesen Sie hier Folge 7: Kein Welpenschutz für Stiefkinder!

Aline von Drateln

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