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Berlin: „Wir wollen Therapie, nur nicht hier“

Anlieger sind erbost über die Pläne des Senats, in Tegel eine Einrichtung für Sexualstraftäter zu bauen. Justizsenatorin bei Diskussion heftig kritisiert

Mit Buhrufen wurde Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) am Dienstagabend von der aufgebrachten Menge in Tegel-Süd verabschiedet. Ihre für das Gesundheitsressort zuständige Kollegin Heidi Knake-Werner (PDS) hatte sich schon zuvor wegen weiterer Termine zurückgezogen. Der Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie, Hans-Ludwig Kröber, folgte ihr. Zurück blieben 400 erboste Bürger, die sich mit Reinickendorfs Bezirksbürgermeisterin Marlies Wanjura (CDU) einig waren. Sie wollen die ambulante Therapieeinrichtung für Sexualstraftäter in der nahen Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel verhindern.

Die Senatorinnen wurden mit Transparenten wie „Kinderschänder in Tegel – Nein niemals“ empfangen. Die Stimmung in der übervollen Turnhalle der Alfred-Brehm-Grundschule war mehr als gereizt. Seit die Anwohner eher zufällig von den Plänen erfahren haben, sind sie in Panik. „Wir wissen so gut wie nichts, außer dass der Standort denkbar ungünstigste ist“, so Elternsprecher Martin Böhm.

Marlies Wanjura befürchtet, dass die 40 Therapieplätze nur der Anfang sind. Dabei trage der Bezirk mit 2350 Plätzen in einem der größten Gefängnisse Europas, dem Maßregelvollzug und zwei Freigängeranstalten bereits „eine große Last für Berlin“. Man fürchtet um die Sicherheit der Kinder, zumal der Schulweg von der Cité Guynemer durch das Wäldchen hinter dem Gefängnis führt. Und der Flughafensee mit seinen Nacktbadern und der Alkohol- und Drogenszene erhöht die Rückfallgefahr, so die Angst der Anlieger.

„Gerade in der Umgebung von solchen Einrichtungen ist man am sichersten“, betonte Karin Schubert. Sie selbst habe gerade erst mit Kindern und Enkel ein Haus direkt neben einer Haftanstalt gebaut. „Ich bin überzeugt davon, es bringt ein Stück mehr Sicherheit“, sagte auch Knake-Werner. Doch das Argument, dass gerade die in Deutschland einmalige Fortsetzung der im Knast begonnenen Therapie durch die gleichen Psychiater die Rückfallgefahr mindere, vermochten die meisten Anlieger nicht zu teilen. „Wir wollen Therapie, nur nicht hier“, sagte etwa Martin Böhm. „Solche Menschen gehören ihr Leben lang hinter Gitter“, forderte ein anderer. „Wir müssen unsere Kinder einsperren, damit die anderen frei sind“, rief eine Mutter. Der Vorschlag von Schubert, man könne das Haus besichtigen, wurde abgelehnt. Einer rief: „Wir bilden eine Bürgerwehr und sorgen selbst für Ordnung.“

Rainer W. During

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