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Dirdl

© David Heerde

Grüne Woche: Wirbelnde Dirndl

Rund 3000 Mitglieder der Landjugend feierten im Internationalen Congress Center (ICC) auf der Grünen Woche und wehrten sich gegen Klischees.

Leere Flaschen auf dem Boden, laute Gesänge und endlose Schlangen von Besuchern. Dazwischen versucht ein junger Mann noch letzte Karten zu verkaufen. „Nur zehn Euro, ist ein guter Preis“, ruft er den jungen Leuten zu. Am Montagabend herrscht vor dem Internationalen Congress Center (ICC) eine Atmosphäre wie bei einem Rockkonzert. Das Einzige, was nicht in das Bild passt, ist die Kleidung des Publikums. Die Herren tragen Anzug und Krawatte, die Damen teure Abendkleider. Dazwischen stehen Jungs mit Lederhosen und Bayerischen Hüten, gefolgt von jungen Frauen im Dirndl. Jedes Jahr lädt der Bund der Deutschen Landjugend (LaJu) anlässlich der Grünen Woche zum Tanzball in das ICC.

Aus allen Teilen Deutschlands sind die Landjugendlichen nach Berlin gekommen. „Der große Ball ist für uns das Highlight des Jahres“, sagt eine blonde Frau im weinroten Tanzkleid und strahlt übers ganze Gesicht. Die gängigen Klischees von „Bauerntrampel“ bis „Dorftrottel“ langweilen sie. Heute Abend wird sie sich keine blöden Sprüche anhören müssen. „Die meisten Leute verstehen nicht, dass Landjugend nicht gleich bedeutet, dass wir alle dumme Bauern sind.“ Tatsächlich ist nur ein Viertel der Mitglieder Landwirte. Die anderen arbeiten in den verschiedensten Branchen, fühlen sich aber der ländlichen Region verbunden und engagieren sich ehrenamtlich in einem der drei deutschen Landjugendverbände.

Im ersten Stock des ICC steht der LaJu-Bundesvorsitzende Gunther Hiestand. Er hat kurze schwarze Haare und trägt einen dunklen Anzug. „Herzlich willkommen“, sagt er zu jedem einzelnen Gast mit kräftigem Händedruck. Die Besucher antworten abwechselnd mit „Gruezi“, „Moin“ oder „Guden Tach“. Mehr als 3 000 Hände wird Hiestand an diesem Abend noch schütteln. Später steht der 28-jährige Winzer zusammen mit der Bundesvorsitzenden Anne Hartmann auf der Bühne. „Hallo Landjugend aus Deutschland“, ruft er der Menge zu. Die antwortet mit Applaus und zustimmenden Pfiffen. Immer wieder stimmen einzelne Gruppen Gesänge an und klatschen dabei laut mit. Bei Bratwurst, Schnitzel, Bier und Wein kann der Tanzabend jetzt endlich beginnen. „Für mich ist es einfach toll, so viele Leute aus anderen Gegenden kennenzulernen“, sagt Andreas Mahls aus Bayern. Mit 40 anderen ist der 20-jährige Landwirt nach Berlin gekommen. Und Mahls weiß jetzt schon, dass er nächstes Jahr auch wieder in Berlin dabei sein will. Die Problematik, dass viele Kinder nicht die Höfe ihrer Eltern übernehmen wollen, kennt er gut. Sein Vater sei überglücklich, dass sein Sohn sich entschieden hat, in die Fußstapfen der Eltern zu treten. Ausschlaggebend war für Mahls Entscheidung ein Praktikum als Industriemechaniker. „Das war mir einfach zu fad“, sagt er und schüttelt den Kopf.

„Ich werd die ganze Nacht tanzen“, sagt Andreas Mahls und deutet zur Saalmitte, wo sich die Landjugendlichen im Licht der Scheinwerfer zu einem Walzer drehen. Schwierig wird es morgen Früh: Pünktlich um acht fährt der Bus zurück nach Bayern.

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