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Überlebenswichtig. Pilze bilden Netzwerke.

© picture alliance / Zoonar

Die Kommunikation der Pilze: Zusammenhalt im Untergrund

In einem aufwendigen Experiment untersucht der Ökologe Matthias Rillig die Netzwerke von Pilzen und Pflanzen. 

Von Marion Kuka

Matthias Rillig steht im Garten hinter dem Forschungsgebäude in der Altensteinstraße 6 in Berlin-Dahlem und zeigt auf Gräser, Sträucher und Bäume. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass die meisten dieser Pflanzen mit Bodenpilzen zusammenarbeiten“, sagt der Professor für Bodenökologie.

Mehr als 80 Prozent aller Landpflanzenarten pflegen eine symbiotische Beziehung zu arbuskulären Mykorrhiza-Pilzen. „AM-Pilze existieren schon ein paar Hundert Millionen Jahre länger als das Zeug auf der Pizza“, sagt Rillig. Und sie sehen ganz anders aus. Einen überirdisch wachsenden Fruchtkörper besitzen sie nicht, dafür haben sie ein ausgeprägtes „Myzel“, so wird die Gesamtheit aller fadenförmigen Zellen eines Pilzes bezeichnet. Die feinen Fasern, auch Hyphen genannt, weben sich in die Spitzen der Pflanzenwurzeln ein und schließen sich zu einer sogenannten Mykorrhiza zusammen, ein Begriff, der sich aus den griechischen Wörtern für Pilz (mykes) und Wurzel (rhíza) zusammensetzt.

Bei Nährstoff- oder Wassermangel profitieren Pflanzen von ihren Partnerschaften

„Das hat einen einfachen Grund“, erklärt Matthias Rillig. „Diese Pilze können sich nicht allein mit Kohlenstoff versorgen. Also kolonisieren sie Pflanzenwurzeln, um von ihnen leicht verwertbare Zucker und Lipide zu erhalten. Besser noch: Sie bilden gleich ein ganzes Netzwerk und sichern sich damit vorsorglich den Zugang zu mehreren Pflanzen. Im Gegenzug hilft der Pilz seiner Wirtin unter anderem dabei, an Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor heranzukommen. Die Hyphen der Pilze sind kleiner, verzweigter und länger als Pflanzenwurzeln und übernehmen den Transport.

Das Mykorrhiza-Prinzip ist seit vielen Jahrzehnten bekannt. Forschende haben außerdem herausgefunden, dass Pflanzen vor allem unter ungünstigen Umweltbedingungen, etwa bei Nährstoff- oder Wassermangel, einen Nutzen aus der Partnerschaft ziehen und sie sogar vorsorglich eingehen, selbst wenn sie gerade gut versorgt sind. Aber nutzen sie wirklich gemeinsame Mykorrhiza-Netzwerke, um untereinander Ressourcen auszutauschen, miteinander zu kommunizieren und sich etwa gegenseitig vor Schädlingen zu warnen, wie einige wissenschaftliche Publikationen nahelegen? Können Bäume und andere Pflanzen wirklich über ein „Wood Wide Web“ aus Pilzfäden miteinander „reden“ – wie in populären Medien berichtet wurde?

Diesen Fragen geht Matthias Rillig gemeinsam mit Forschenden aus Turin, Dublin und Manchester auf den Grund. „Wir wollen prüfen, ob die beschriebenen Effekte wirklich auf gemeinsam genutzten Netzwerken beruhen und nicht nur das Resultat einer einfachen Symbiose sind“, sagt er. Es könne ja auch so ablaufen, dass eine Pflanze ihre Stoffe einfach in den Boden abgibt und eine andere sie von dort aufnimmt – ohne Nutzung einer Hyphen-Verbindung.

1440 Pflanzen sind Teil des Experiments

Der Bodenökologe hat dafür ein aufwendiges Experiment entworfen: 1440 Pflanzen unterschiedlicher Arten werden auf großen Tischen im Gewächshaus aufgezogen. Ihre Wurzelballen sind durch feinmaschige Netze begrenzt, die jedoch durchlässig genug für die Pilzfäden sind. Die Hälfte der Versuchspflanzen wird einmal pro Tag um einen Millimeter gedreht, sodass die feinen Verbindungen in Richtung anderer Pflanzen abreißen. Die eine Gruppe kann also gemeinsame Netzwerke ausbilden, die andere nicht. Alle Pflanzen werden denselben Faktoren ausgesetzt, etwa Trockenstress. „So können wir beobachten, ob gemeinsame Netzwerke einen Vorteil bringen.“

Matthias Rillig verwendet Pflanzenarten einer typischerweise nordeuropäischen Gras- und Weidelandschaft, um herauszufinden, ob Pilznetzwerke dieses Ökosystem widerstandsfähiger gegen Trockenperioden machen. Finanziert wird die Studie aus dem Programm „SOIL-HEAL – Symbiotische Lösungen für gesunde Agrarlandschaften“ der Europäischen Union.

Für den Inhalt dieses Textes ist die Freie Universität Berlin verantwortlich.

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