
© Fabio Eppensteiner/ZDF/dpa
80 Jahre Kriegsende: Eindringlich und beklemmend: „Sturm kommt auf“ im ZDF
Zum Abschluss seines Themenschwerpunktes „80 Jahre nach Kriegsende“ zeigt das ZDF den sehenswerten Zweiteiler „Sturm kommt auf“ von Matti Geschonneck. Ein eindringlicher Appell gegen das Vergessen.
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Dieser Zweiteiler hinterlässt ein beklemmendes Gefühl beim Zuschauer: „Sturm kommt auf“ erzählt vom aufkommenden Faschismus in der bayerischen Provinz, zeigt, wie Hass eine Dorfgemeinschaft entzweit und wie Hetze zu Gewalt anstachelt.
Regisseur Matti Geschonneck („Unterleuten – Das zerrissene Dorf“, „Die Wannseekonferenz“) inszeniert das Historiendrama mit Josef Hader in der Hauptrolle nach dem Roman „Unruhe um einen Friedfertigen“ von Oskar Maria Graf. Eine filmische Kostbarkeit - zu sehen im ZDF-Streamingportal und heute linear im Zweiten (20.15 und 22.00 Uhr).
Der Zweiteiler bildet den Abschluss des ZDF-Themenschwerpunktes „80 Jahre Kriegsende“. Die Geschichte spielt zwischen 1918 und der Machtergreifung Hitlers 1933. Im Mittelpunkt steht der Schuster Julius Kraus (berührend gespielt von Josef Hader), ein stiller, bescheidener und in sich gekehrter Mann, der zurückgezogen lebt - bis er plötzlich hineingezogen wird in die politischen Unruhen und zur Zielscheibe wird von Hass und Hetze.
Kraus versteht sich gut mit seinem Nachbarn, dem Bauern Silvan Heingeiger (Sigi Zimmerschied) und dessen Tochter Elies (Verena Altenberger). Die Rückkehr von Silvan junior (Frederic Linkemann) auf den väterlichen Hof stiftet Unfrieden.
Er gerät unter anderem mit Ludwig Allberger (Sebastian Bezzel) aneinander, der im Dorf als „Roter“ bekannt ist. Silvan junior schwört Ludwig Todfeindschaft. Der Vater hat nichts gegen Rote, auch nichts gegen Juden, und versucht seinen Sohn zu bremsen.
Parallelen zur Gegenwart
Zehn Jahre später ist Silvan junior Sturmführer bei der SA. Im Dorf geben Nazis den Ton an. Immer noch versucht sich der Schuster aus allem herauszuhalten. Im alten Heingeiger und in Ludwig hat er Vertraute, die auch zu ihm halten, als Kraus sein Geheimnis verrät: Er ist jüdischer Herkunft. Die Stimmung im Dorf kippt. Überdeutlich für den Zuschauer zeigt der Zweiteiler Parallelen zur gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Situation.
Für Josef Hader ist das der Grund, warum der Film genau jetzt gemacht worden ist: „Vielleicht kann man tatsächlich etwas daraus lernen, auch wenn sich Geschichte ja nicht unbedingt immer komplett wiederholt. Aber umgekehrt vergessen wir die Erfahrungen aus der Geschichte sehr gerne, insbesondere, wenn wir sie nicht selbst erlebt haben, sondern nur noch in Geschichtsbüchern lesen“, sagt der Schauspieler der Deutschen Presse-Agentur.
Diese Erfahrungen der vorherigen Generation seien aber wertvoll, und ein Film eigne sich gut dafür, das näherzubringen. „In meiner Generation haben wir eine Weile geglaubt, dass im 20. Jahrhundert so viel Schreckliches passiert ist, dass wir gescheiter geworden sind. Das scheint nicht so zu sein, leider“, sagt Hader.
Augenzeugenberichte als Teil der Erinnerungskultur
Er selbst habe das Glück gehabt, dass ihm seine Großeltern von der Zeit damals erzählen konnten. „Das ist das Wertvollste. Das kann einen persönlich komplett abholen“, findet der Schauspieler. Ein Film ersetze nicht die Großeltern oder Augenzeugenberichte, aber es sei vielleicht einfacher, für Geschichte offen zu sein, wenn sie als Film erzählt wird und nicht im Schulbuch.
Das Filmprojekt habe ihn sofort begeistert, sagt Hader. Zum einen liege ihm die Rolle des Schusters - eine inwendige Figur, die nicht viele Worte mache. Zum anderen wollte er mit Regisseur Geschonneck zusammenarbeiten. „In unserem Beruf träumen wir davon, einmal einen Film mit ihm machen zu können.“
Neben seiner inhaltlichen Aktualität zieht die Stimmung das Publikum in den Film hinein. Die wird von der dörflichen Situation geprägt, aber auch von der Musik. Hader sagt: „In einem Dorf tun die Menschen ja normalerweise alles dafür, um sich nicht zu zerstreiten, weil man einander braucht.“
Es sei insofern auch eine Geschichte von Männern, die sich in dieser dörflichen Enge zu streiten beginnen und eine Geschichte von Frauen, die noch zusammensitzen und zusammenhalten.
Das werde auch durch Musik unterstrichen: Während die Männer streiten, sitzen die Frauen zusammen und singen. „Das erzählt natürlich, dass die Männer meistens das Problem sind“, konstatiert Hader. „Das stimmt einfach, das ist historisch belegt und nachvollziehbar.“
© dpa-infocom, dpa:251110-930-271172/1
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