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Bücher stehen in einer Bibliothek in den Regalen. (Symbolbild)

© dpa/Maja Hitij

„ONE Day in wintertr it wus Crismis!“: Achtjähriger schmuggelt selbstgeschriebenes Buch in Bibliothek – Nachfrage ist riesig

Ein Zweitklässler in den USA hat ein Buch geschrieben und es durch eine trickreiche Veröffentlichungsstrategie zu einer Menge Ruhm gebracht.

Stand:

Hemingway war 27 Jahre alt, als er erste größere Erfolge feierte, Ingeborg Bachmann und Erich Kästner waren 20 Jahre alt – und alle drei waren damit mit ihren literarischen Durchbrüchen noch vergleichsweise früh dran.

Der Grundschüler Dillon Helbig aus dem Bundesstaat Idaho in den USA ist ihnen trotzdem um einiges voraus. Wie die „New York Times“ zuerst berichtete, hat er seine Schriftstellerkarriere bereits mit 8 Jahren begonnen und mit seiner ersten Veröffentlichung gleich für Furore in seiner Heimatstadt Boise gesorgt.

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Nicht nur, dass seine spannende Geschichte stark in der örtlichen Bibliothek nachgefragt wird, dank ihm wollen sogar andere Kinder auch Schriftsteller:innen werden.

Gerade mal vier Tage brauchte Dillon für sein 88 Seiten fassendes Erstlingswerk, ein „Crismis”-Abenteuer (es ist anzunehmen, dass der Jungautor statt „Crismis” eigentlich das englische Wort „Christmas”, also „Weihnachten” meint) welches er von Hand in ein leeres Tagebuch schrieb und mit zahlreichen Bildchen versah.

Die Geschichte und ihr Autor, in der die Hauptperson in der Zeit zurückreist, nachdem ein Stern an der Spitze des Weihnachtsbaums explodiert, entzücken die Menschen in Boise derart, dass das Buch kurz nach der „Veröffentlichung” zu einem der begehrtesten Titel der örtlichen Bibliothek wurde.

Seine Oma nahm ihn mit in die Lake Hazel Zweigstelle der Ada Community Bücherei in Boise, wo der Achtjährige das einzige Exemplar seines Buchs einfach in das Regal der Belletristik schob. „Ich musste mich an den Leuten in der Bücherei vorbeischleichen”, erzählt Dillon stolz, der „li-berry” statt „Library” (englisch für Bücherei) sagt.

Bücherei unterstützt den jungen Autor

Nachdem Dillon sein Buch in der Bücherei abgelegt hatte, erzählte er seinen Eltern von seinem genialen Marketing-Schachzug. Seine Mutter Susan Helbig rief in der Bibliothek an, um das Buch wieder abzuholen. Doch die Mitarbeiter:innen in der Bücherei waren so begeistert von Dillons Buch und seiner Veröffentlichungsstrategie, dass sie den jungen aufstrebenden Autor fortan unterstützen.

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„Es verdient einen Platz in unseren Bücherregalen”, sagte Alex Hartmann, Leiter der Bibliothek in Boise am Montag der „New York Times“. Die Mitarbeiter:innen nahmen das Buch in ihr Katalogsystem auf und stellten es zu den anderen Graphic Novels, also zu den illustrierten Romanen. Die Verlagskategorie ließen sie leer, da der Zweitklässler - noch - keinen Verlag hat.

Achtjähriger erhält einen besonderen Literaturpreis

Obwohl Dillon sich in seinem Erstlingswerk gleich eine der schwierigsten Disziplinen des fiktionalen Schreibens vornimmt, schließlich bieten Zeitreisegeschichten zahlreiche Fallstricke durch die verschiedenen Zeitstränge und damit viel Potenzial für mögliche Logikfehler, sind die Rezensionen bisher durchweg positiv.

„Es ist einfach eine gute Geschichte”, lobt Alex Hartmann. Offenbar so gut, dass gerne über die Rechtschreibfehler hinweggesehen wird, die laut Hartmann „überaus zahlreich vorhanden” seien. Beispielsweise beginnt Dillon sein erstes Kapitel mit „ONE Day in wintertr it wus Crisms“. Die Bücherei verlieh dem kleinen Dillon für seinen Debütroman auch prompt einen extra geschaffenen Literaturpreis in der Kategorie „bester junger Autor”.

In seiner Geschichte mit dem Titel „The Adventures of Dillon Helbig´s Crismis” begibt sich Dillon, der Autor und Hauptprotagonist zu gleich ist, nachdem der Stern am Christbaum explodiert ist, auf ein Zeitreiseabenteuer. „Als Nächstes kommt der Weihnachtsmann”, erklärt Dillon den weiteren Verlauf der Handlung, in der der Held der Geschichte schließlich auf ein „Baumportal” trifft, welches ihn wiederum zu einem Thanksgiving-Fest ins 17. Jahrhundert katapultiert.

Warteliste zum Ausleihen ist bereits jahrelang

Zwar ist „The Adventures of Dillon Helbig´s Crismis”, nicht Dillons erstes Buch, laut seiner Mutter entwirft und malt er Geschichten seit er 5 ist, aber mit Abstand sein erfolgreichstes: Ende Januar hatte das Buch in Boison so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, dass die örtliche Zeitung und ein Lokalfernsehsender über den jungen Autor und sein Debüt berichteten.

In Folge dessen wollten so viele das Buch lesen, dass zuletzt 56 Personen auf der Warteliste der Bücherei standen. So viele, dass, wenn jede der 56 Personen das Buch die maximale Ausleihfrist von vier Wochen behalten würde, die letzte Person auf der Liste mehr als vier Jahre warten müsste, um Dillons Geschichte zu lesen – schließlich gibt es bisher erst ein Exemplar.

Verlage wollen das Buch offiziell herausbringen

Ein Umstand, der sich bald ändern könnte. Verlage hätten sich mit der Bibliothek in Verbindung gesetzt, um das Buch offiziell zu veröffentlichen, sagt Herr Hartman. Die Bibliothek plane außerdem, zusätzliche Exemplare des Buches herzustellen.

Und Dillon? Der ist sich seit seinem großen Erfolg sicher, dass er Schriftsteller von Beruf werden möchte. Allerdings nur, bis er 40 ist, denn dann „möchte ich Spiele entwickeln”, sagt er. Bleiben also noch rund 32 Jahre, in denen der Achtjährige die Literaturwelt entzücken kann – sein nächstes Werk ist schon in Planung. Es soll eine Erzählung beruhend auf wahren Begebenheiten werden, die von einem Jacken verschlingenden Kleiderschrank handeln soll.

Auch andere Kinder wurden derweil von der Lust am Geschichtenschreiben angesteckt. Nach den Fernsehberichten über Dillons literarischen Triumph haben sich zahlreiche Kinder bei Herrn Hartmann gemeldet, die selbst auch Bücher für die Bibliothek schreiben wollen. Eine lokale Autorin hat sich bereit erklärt, in der Bücherei eine Schreibwerkstatt für Kinder einzurichten.

Aljoscha Huber

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