
Fahrbericht Infiniti Q70 M35h: Alles andere als Lautsprecher
Der Infiniti Q70 M35h ist auf deutschen Straßen eher ein Unbekannter. Dabei hat der Konkurrent von 5er BMW, Audi A6 und Mercedes E-Klasse durchaus was zu bieten. Besonders mit Hybrid-Technik an Bord.
So ist das im Leben: Wer am lautesten trommelt findet auch Gehör. Das müssen allerdings nicht immer die Besten sein. Oft gibt es im Hintergrund echte Perlen, die einfach nicht genug Gehör finden. In Automobil-Welt könnte Infiniti so ein Fall sein. Seit 1989 gibt es den Edel-Ableger von Nissan in den USA, seit 2008 in Deutschland. Wer aber von der Marke spricht bekommt bestenfalls ein "Sind das nicht Lautsprecher?" zurück. Dabei hat in den letzten Jahren sogar kein Geringerer als Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel für die Japaner die Werbetrommel gerührt. Aber so richtig verfangen hat auch das nicht bei den Kunden. Werfen wir doch mal ein Blick auf das Wesentliche, auf die Technik. Und das tun wir beim Infiniti M35h. Der kann schon einen Vorgeschmack geben auf das neue Modell, das gerade auf dem Pariser Autosalon gezeigt wurde.
Außen und Innen
Sportlich kommt er daher, der M35h. Die Schürze vorne tief nach unten gezogen und die Kotflügel weit ausgestellt. Auch auf der Haube spannt er über den Radhäusern die Muskeln. Nach hinten wird das Auto braver, seine coupéhafte Dachlinie findet Ihren Abschluss in einer dezenten Andeutung einer Abrisskante über dem Kofferraum. Die Linienführung ist insgesamt sanft und geschwungen. Das Modell hat Stil, keine Frage.

Die sanften Rundungen setzen sich auch im Innenraum fort. Die große Limousine der Marke zeigt sich zwar nicht gerade als Raumwunder, Fahrer und Beifahrer werden eng umschmiegt wie etwa bei BMW, aber es begrüßt die Insassen japanisches Eschenholz und dunkles Leder. Der Armaturenträger nimmt hier die fließenden Formen der Außenhülle auf. Auch das macht sich gut. Auf der Rückbank sind die Platzverhältnisse ordentlich. Kein Wunder, denkt man sich. Irgendwo muss die beachtliche Außenlänge von 4,94 Meter ja hin.
Sitzen und Laden
Frisches Design ist ja eine Sache, Funktionalität aber eine andere, nicht ganz unwichtige. Aus dieser Perspektive gesehen ist die wuchtige Mittelkonsole eher unpraktisch, da die Schalter auf der Oberseite schwer einzusehen sind. Und ganz nebenbei raubt der Trumm in der Mitte viel Platz, was sich allerdings angesichts des verfügbaren Raumes gut verschmerzen lässt. Auf den vordern Plätzen lässt es sich gut sitzen und hinten ebenso. Da fühlen sich selbst bei großem Fahrer noch Erwachsene richtig wohl.

Für die Langstrecke ist das Gestühl sehr bequem ausstaffiert, nur der Seitenhalt dürfte noch ein bisschen besser sein. Gleiches gilt, natürlich bis auf den fünften Platz in der Mitte, auch für den Fond. Weniger reisetauglich sind hingegen die 350 Liter Kofferraum. Hier dürfte es schon Probleme geben, wenn sich vier Personen auf den Weg machen. Bei der Hybrid-Variante ist die Rückbank auch nicht umlegbar. Die Akkus für den Elektromotor stehen senkrecht hinter der Rückbank und machen aus der großen Limousine beim Ladevolumen einen Kompakten. Durch den wuchtigen Stoßfänger hinten sollte beim Laden auch mit Vorsicht an die Sache herangegangen werden, denn schnell ist hier mal ein Kratzer im teuren Lack.
Fahren und Tanken
Die Stärke des Infinit Q70 M35h liegt sicherlich in der Hybrid-Technik, die der Edel-Japaner an Bord hat. Zu den 306 PS, die der Sechszylinder-Benziner aus seinen 3,5 Litern Hubraum holt gesellen sich noch 68 PS aus dem Elektromotor hinzu. Das verspricht ziemlich viel Fahrfreude, was da auf dem Papier steht. Und nach dem Drücken des Startknopfs bestätigt der Q70 diesen ersten Eindruck auch mit einem leichten Röhren aus den Endtöpfen. Moment mal, sollte das hier nicht ein politisch korrekter Hybride sein? Laut Datenblatt ja, denn der Infiniti soll sich in der grauen Theorie der EU-Normrunde mit 6,9 Litern für 100 Kilometer zufrieden geben. Der hier aber spannt erst mal die Muskeln und macht klar, dass er nicht unbedingt ein Leisetreter ist.

Wir fahren los und freuen uns erst mal über den entspannt durchschaltenden Doppelkupplungsautomat, der uns mit sanften Schaltvorgängen durch die Stadt schaukelt. Er fährt auch elektrisch an, der Q70 Hybride, schmeißt aber recht schnell den Benziner an um vorwärts zu kommen. Nun ist die Batterie relativ beim Losfahren und in der Stadt lässt sie sich auch eher weniger aufladen. Warten wir also den nächsten Tag ab, denn dann steht eine lange Autobahnfahrt an. Da müssten sich die Speicher ja ganz gut füllen lassen.
Auf den ersten Autobahnkilometern füllt sich tags darauf auch die Anzeige der Batterie bis zu etwa drei Vierteln der Kapazität. Weiter aufgeladen bekommen wir den Akku allerdings nicht, obwohl wir hartnäckig im "Eco"-Modus unterwegs sind. Was der Q70 allerdings fein macht ist das Segeln, wo er immer wieder den Benziner ausschaltet. So kommen dann doch ein paar Kilometer rein elektrischer Fortbewegung zustande, die auf dem Bordcomputer auch sauber mitgezählt werden. In Zeiten von Plugin-Hybriden ist die elektrische Fahrleistung dieses Mild-Hybriden dennoch überschaubar. In der Stadt muss der Benzin-Motor dem E-Antrieb doch oft zur Seite springen. Mehr als ein paar hundert Meter bis vielleicht zwei, drei Kilometer schafft es der Infiniti nicht ohne Kraftstoff. Dafür macht sich die elektrische Hilfe dann an der Zapfsäule bemerkbar. Nach der Testrunde messen wir 8,9 Liter an Spritkonsum auf 100 Kilometer, was für ein Auto mit dieser Leistung und einem Gewicht von mehr als 1,8 Tonnen dann wiederum in Ordnung geht.
Hören und Sehen
Nach hinten raus ist beim Q70 relativ wenig zu sehen und die coupéhafte Dachlinie schränkt auch die Sicht beim Schulterblick stark ein. Da wird die Rückfahrkamera zu einem wichtigen Helfer, den man nicht mehr missen möchte.

Das Infotainmentsystem in der Mittelkonsole hat zwar einen verhältnismäßig kleinen Bildschirm von nur 5,8 Zoll, versorgt die Insassen aber mit allem, was bei einem solchen Feature komfortabel und wichtig ist. Speziell sind natürlich die Diagramme über den Energiefluss zwischen Verbrennungsmotor, Batterien und Antrieb. Aber das Auto bietet beispielsweise serienmäßig eine Fußgängerwarnung bis zu einer Geschwindigkeit von 30 km/h an. Der Rest, wie Navigation, Bluetooth-Verbindung oder Spracherkennung, funktioniert einwandfrei.
Wählen und Zahlen
Wie bei vielen Importautos ist auch beim Infiniti die Geschichte mit den Sonderausstattungen schnell erzählt. Es gibt den Infiniti zu einem Preis 56740 Euro fast mit Vollausstattung. Wesentlicher Kostentreiber ist lediglich das Connectivi-System mit Festplatten-Navigation (30 GB) und 10 Gigabyte Musikspeicher zusammen mit einem speziellen Luftzirkulationssystem für einen Paket-Preis von 2400 Euro. Ansonsten bietet der Edel-Ableger von Nissan noch Metallic-Lackierungen, die bei unserem Wagen mit 950 Euro zu Buche schlugen. Dafür ist das Eschenholz und das Leder im Innenraum inklusive, was den Grundpreis natürlich, vor allem im Vergleich zur deutschen Konkurrenz, relativ günstig erscheinen lässt.

Gutes und Schlechtes
Das ist auch sicher eine der großen Stärken, die der Infiniti mitbringt. Für ein Fahrzeug mit Hybridantrieb und einer Leistung von weit über 300 PS ist der Q70 M35h schlicht relativ günstig. Vor allem, wenn die umfangreiche Serienausstattung rausgerechnet wird. Legen wir den BMW Active Hybrid 5 mal daneben, dann sind wir alleine beim Grundpreis schon bei einem Unterschied von 8360 Euro. Und da fehlt an Ausstattung so einiges, bei fast gleichen Leistungswerten. Nehmen wir den Mercedes 300 Hybrid, dann liegt der 4053 Euro darunter, hat allerdings nur231 PS Systemleistung und ebenso ein Manko bei der Serienausstattung.
Daher ist der Infiniti Q70 M35h in der Summe nicht nur ein faires Angebot sondern auch ein interessantes Auto. Selbst wenn die Hybridtechnik im Fahralltag nicht immer ihre Vorzüge ausspielen kann. Dazu sind die Batterien zu klein und der gesamte Antriebsstrang dann doch eher auf Leistung ausgelegt. Aber das muss ja keine Sünde sein.