zum Hauptinhalt

© Gestaltung: Tagesspiegel, Fotos: getty images, freepik

Betrügen, erniedrigen, missbrauchen: Die menschenverachtende Welt der Freierforen

Im Netz tauschen sich Männer darüber aus, wo sie mit Prostituierten für möglichst wenig Geld möglichst viel anstellen können – auch gegen den Willen der Frauen.

Eine Kolumne von Sebastian Leber

Der Nutzer, der sich „DerBlankeHans“ nennt, hat einen heißen Tipp, wie man diese eine Prostituierte vom Berliner Straßenstrich zum Geschlechtsverkehr ohne Kondom bekommt, und zwar ohne Aufpreis. Die Frau habe nämlich Sehprobleme, verrät er im Forum. Deshalb: „Einfach die Brille abnehmen, dann sieht sie nicht, dass du das montierte Gummi wieder abstreifst, blank rein damit und 50 Euro gespart.“

Dieser Ratschlag ist ernst gemeint. So, wie auch die übrigen Tipps und Erfahrungsberichte, die Männer in sogenannten „Freierforen“ im Internet austauschen. Beliebte Fragenkomplexe: In welchem Bordell oder an welcher Häuserecke kann ich für möglichst wenig Geld meinen Willen durchsetzen? Welche Frau lässt sich zu Praktiken überreden, die sie zunächst kategorisch ausschließt? Wo finde ich „Frischfleisch“ zum „Teenie-Fick“?

Es ist wie bei gutefrage.net, nur halt in menschenverachtend.

Verteidiger der Prostitution, vor allem die von Bordellbetreibern durchsetzten Lobbyverbände, verbreiten gern die Erzählung, bei Freiern handle es sich überwiegend um höfliche, respektvolle Männer, die Prostituierte als Menschen wertschätzten, oftmals im Grunde gar keinen Sex suchten, sondern Geborgenheit und ein Gegenüber zum Reden. Ein Blick in die „Freierforen“ kuriert einen von diesem Irrglauben.

Da werden – bei Nennung von Namen und Adressen – drogensüchtige Prostituierte empfohlen, die so dringend Geld benötigen, dass sie schon für 15 Euro zum Geschlechtsverkehr bereit sind. Und die es sich hinterher auch gefallen lassen, wenn man dann doch bloß zehn Euro zahlt.

Freier tauschen sich darüber aus, wie sie Prostituierte, die sie aus Versehen geschwängert haben, am besten zur Abtreibung überreden. Sie höhnen darüber, wenn eine Prostituierte offensichtlich von einem Zuhälter abhängig ist („Also sie muss noch eine Weile die Beine breit machen, damit die S-Klasse weiterrollen kann hehe“). Sie höhnen auch darüber, wenn eine Prostituierte auf dem Straßenstrich psychisch erkrankt ist und man dies sofort erkennt.

Eintrag aus einem der betreffenden Foren.
Eintrag aus einem der betreffenden Foren.

© Screenshot: privat

Sie bewerten die Körper der Frauen („Muschi hatte Grip“) und deren Herkunft („Die Vietnutten lassen sich immer schwer abschätzen, wie alt die sind“). Eine typische Beschreibung lautet etwa: „Ich denke, sie ist so zwischen 30 und 40, aber supereng, richtig große, kaum hängende Glocken.“

Der Tonfall ist vulgär, meist erniedrigend, oft bösartig. Niemals wird ein Nutzer von anderen darauf hingewiesen, dass das, was er schreibt, respektlos sei. Im Gegenteil: Wer damit prahlt, er habe „sofort einen Arschfick für einen unmoralisch niedrigen Preis rausgehandelt“, erhält Komplimente.

Die Namen der Webseiten möchte ich an dieser Stelle nicht nennen, denn zusätzliche Reichweite ist das Letzte, was sie verdienen. Doch sie sind zahlreich und gut besucht. Ihre Betreiber geben sich nicht mal die Mühe, sie im Darknet zu verstecken.

Prostituierte werden in der Regel als geldgierig und faul beschrieben oder als entgegenkommend. Letzteres bedeutet, dass man sie ausnutzen kann. Ansonsten beschweren sich Nutzer darüber, dass diese oder jene Frau zu viel rede, zu dick oder „verbraucht“ sei, insgesamt ein „nerviges Wesen“ habe. Ein Nutzer beschreibt, wie ihm eine gebuchte Prostituierte nach dem Entblößen dann doch zu unattraktiv war: „Hab ihr in den Mund gespritzt und dann nischt wie weg.“

Im populärsten dieser Foren gibt es einen eigenen Thread zum Thema „Sex mit Obdachlosen“. Dort tauschen sich Männer darüber aus, wie sie bettelnde Frauen zum Sex überreden und wo eigene Toleranzgrenzen liegen („Dass sie nach tagelang in denselben Klamotten roch, störte mich nicht“). Einer berichtet von einer „Junkiebraut“, die für zehn Euro zum Oralverkehr in einer Parkanlage bereit war. Der Nutzer schreibt: „War nur etwas drollig, weil ich hatte dann nur 5 Euro dabei. Aber war mir auch egal, habe ihr das Geld hingeworfen...“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Vertreter der Lobbyverbände behaupten, diese Foren seien nicht repräsentativ. Die große Mehrheit der Freier denke und handle vollkommen anders. Wer soll das glauben? Freierforen, in denen sich die Männer über respektvollen Umgang mit Prostituierten austauschen, über Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Gesundheitsschutz und gerechte Entlohnung diskutieren, finden sich seltsamerweise keine.

Update: Nach Veröffentlichung dieser Kolumne erreichten mich heute einige Nachrichten auf Social Media von Menschen, die mir unterschiedliche hanebüchene Gründe vortrugen, weshalb die zitierten Kommentare der Freier angeblich gar nicht so menschenverachtend seien und das Problem insgesamt nicht so schlimm sei.

Zum Beispiel dürfe man die Ausführungen der Freier nicht allzu ernst nehmen, da sich die Server dieser deutschsprachigen Foren nun einmal im Ausland befänden und die deutsche Justiz deshalb nicht gegen die Beiträge vorgehen könnte.

Weil diese Freier also keine Zensur fürchten müssen und deshalb einfach ungefiltert schreiben können, was sie wirklich denken, sind diese Beiträge weniger ernstzunehmen? Das ist im Grunde so, als fände man das Agieren von Bankräubern nicht so schlimm, wenn keine Polizei in der Nähe ist. Ich kann mir kaum ein absurderes Argument vorstellen.

Update 2: Auch in einem der hier beschriebenen Foren wird der Artikel jetzt diskutiert. Der Nutzer mit dem Pseudonym „Teenieknacker“ bedauert es, dass er im Text nicht erwähnt wird. Ein anderer schreibt, Journalisten sollten doch mal lieber darüber berichten, dass die Prostituierten die eigentlichen Täter sind und die Freier die Opfer. Auch dieser Beitrag wirkt, soweit ich es beurteilen kann, ernst gemeint.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false