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Johannes Boie arbeitet seit gut einem Jahr als „Bild“-Chefredakteur

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Update

„Bild“ kämpft mit „Bild“: „In Auflösung“?

In der „Bild“-Redaktion rumort es heftig. Kritik gibt es intern vor allem an Chefredakteur Johannes Boie.

Stand:

Es ist nicht der Name, es ist nicht die Person, die weite Teile der „Bild“-Redaktion in Aufregung versetzt. Der Axel-Springer-Verlag holt „Focus“-Chefredakteur Robert Schneider als weiteres Mitglied in die Spitze von Deutschlands auflagenstärkster Tageszeitung. Der gebürtige Leipziger Schneider fing einst bei der „Bild“ an, wurde dort Ressortleiter, ehe er als stellvertretender Chefredakteur für die „B.Z“ und die „Bild am Sonntag“ arbeitete. „Ein guter Mann“, heißt es in der Redaktion, er könne Boulevard, und er könne „Bild“.

Johannes Boie bleibt Chefredakteur

Der 46-jährige Schneider kommt in die Chefredaktion, „er wird an Johannes Boie berichten, der unverändert in seiner derzeitigen Position als Chefredakteur und Vorsitzender der ,Bild’-Chefredaktionen bleibt“, hieß es am Freitag in einer schmallippigen Mitteilung aus dem Springer-Verlag.

An Johannes Boie scheiden sich die Geister in der „Bild“-Redaktion. Es gab die Hoffnung, dass der 38-jährige Journalist „nach oben weggelobt wird“. Eine Demission oder Abberufung wurde nicht erwartet, Boie gilt als „Zögling“ von Springer-CEO Mathias Döpfner. Müsste Boie gehen, dann wäre das nach der Causa Julian Reichelt der zweite Fehlschuss des Springer-Gewaltigen.

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Es wird in der Redaktion, wie mehrere Gespräche zeigen, hart über Boie geurteilt: „Boie kann keinen Boulevard.“ Der Journalist kam von der „Süddeutschen Zeitung“ zu Springer, wurde Chefredakteur der „Welt am Sonntag“. „Bild“ und „WamS“ sind ein Springer-Fleisch, ganz gewiss, aber in Themensetzung, Auftritt und Aufmachung sehr, sehr unterschiedlich. Boie habe gerade für die zentralen Positionen der Blattmacher die falschen Leute geholt. Ein Florian von Heintze ist weg, er musste wegen grobschlächtigen Umgangs mit Mitarbeitenden gehen, ein Ralf Schuler hat als Leiter der Parlamentsredaktion hingeschmissen. Schuler sah bei der „Bild“ eine Entwicklung hin zum woken Blatt, er hat sich Julian Reichelt und dessen Youtube-Kanal „Achtung, Reichelt!“ angeschlossen.

Kernzielgruppe aus den Augen verloren

Mit Boie habe die „Bild“ ihre Kernzielgruppe aus den Augen verloren, lautet ein weiterer Kritikpunkt, das Blatt müsse „nahe bei den Leuten sein“, beim Bäcker und nicht beim „Borchardts“. Emotionen, mit „Bild“ lachen und weinen, auch aufregen, mit sehr eigener Schreibe, in einem sehr eigenen Stil. „Bild“ müsse zuvorderst für die Mehrheiten in Deutschland berichten, damit sei keine Desavouierung von Minderheiten wie der LGBTQ+-Community gemeint, sondern eine Fokussierung auf Themen aus und für die Mitte der Gesellschaft.

Auch die Art und Weise, wie Boie die Redaktion führt, steht in der Kritik. Wenig Sozialkompetenz habe er, in den Redaktionskonferenzen rede nur Boie, kaum noch Austausch, Ressortleiter würden abgebügelt, ein Mangel an Selbstkritik wird ihm angelastet. Beim Raketen-Einschlag in Polen hätte Boie in „Bild“ und bei Bild-TV vorschnell den „Nato-Fall“ ausgerufen, mit der schlimmste Fehler in der „Bild“-Geschichte. Noch Tage später hätte er behauptet, die Quellenlage sei ausreichend gewesen. Die Klageliste über die Person, die Persönlichkeit und seine Befähigung zum „Bild“-Chefredakteur ist lang.

Was die Zukunft bringen könnte: Es wird mit dem Abgang von Alexandra Würzbach, Chefredakteurin der „Bild am Sonntag“, gerechnet und mit dem Abgang von Claus Strunz, der Bild-TV nicht zum Fliegen gebracht hat. Die Live-Strecken werden eingestellt, 80 Mitarbeitende entlassen, Springer musste lernen, dass ein neues Fernsehprogramm einen langen Atem und noch mehr Geld braucht.

Alexandra Würzbach ist zudem die amtierende „Kulturwandelbeauftragte“ des Verlags, sprich die Bevollmächtigte für die Etablierung eines Klimas, das weit weg von #Metoo-Reichelt entfernt ist. Muss Würzbach gehen, wäre die „Bild“-Spitze eine „frauenfreie Zone“. „Bild“ sei in einer „Hängepartie“, sagte ein Mitarbeiter im Verlagshaus an der Axel-Springer-Straße. Ein anderer formulierte es drastischer: „Bild ist in Auflösung.“

Neue Chefredaktion steht

Am Mittwoch hieß es dann: Die Zusammensetzung der künftigen Chefredaktion von Deutschlands größter Boulevardzeitung „Bild“ steht fest. Neben Neuzugang „Focus“-Chefredakteur Robert Schneider als weiterem Chefredakteur verbleiben nach dpa-Informationen Alexandra Würzbach (Chefredakteurin „Bild am Sonntag“) und Claus Strunz (Leiter Bewegtbild) an der Spitze. Alle drei berichten demnach künftig an „Bild“-Chefredakteur und Vorsitzenden der „Bild“-Chefredaktionen, Johannes Boie. Ein Sprecher des Medienkonzerns Axel Springer bestätigte am Mittwoch auf Nachfrage die Informationen.

Die Redaktion hat auf die Personalien mit Überraschung und Erleichterung reagiert, weil mit Strunz und Würzbach erfahrene Boulevard-Leute an Bord bleiben. Zwei Fragen bleiben: Was macht künftig Boie, vor allem, wenn Robert Schneider eingetroffen ist?

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