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Das zweitgrößte Landraubtier der Erde kann eine halbe Tonne wiegen. Einen Teil davon macht die zehn Zentimeter dicke Speckschicht aus, die den Eisbären vor arktischer Kälte schützt.

© Thilo Rückeis

Ostsee-Magazin 2019: Botschaft der Eisbären

Im neuen Polarium des Rostocker Zoos kommen sich Mensch und Tier sehr nah. Der Zoo will damit zu Themen wie Klimawandel und Umweltschutz aufklären.

Jetzt hat sie mich entdeckt, Eisbären haben einen sehr guten Geruchssinn", sagt Tierpfleger René Schoknecht, als Noria plötzlich zum Kiesstrand trabt, zu ihm hochschaut, blinzelt und ihre blauschwarze Zunge raustreckt. Die drei Jahre alte Eisbärin mit gräulich-weißem Fell ist gerade erst aus dem Zoo im tschechischen Brno nach Rostock gekommen, wo sie fortan mit zwei weiteren Eisbären in einer rund 3600 Quadratmeter großen nachempfundenen Tundralandschaft im Polarium leben wird, der neuesten Attraktion im Rostocker Zoo. Abgewetzte Baumstämme liegen herum, graue Felsblöcke ragen in kristallklares Wasser. Dahinter öffnet sich ein Panorama der Hudson Bay - gemalte Eisberge treiben umher, verwittertes Treibholz liegt am Strand.

Für den Tierpfleger René Schoknecht ist sein Beruf ein 24-Stunden-Job: "Ich bin jeden Tag mit Noria, Akiak und Sizzel zusammen, im Grunde sind sie meine Kinder."
Für den Tierpfleger René Schoknecht ist sein Beruf ein 24-Stunden-Job: "Ich bin jeden Tag mit Noria, Akiak und Sizzel zusammen, im Grunde sind sie meine Kinder."

© Thilo Rückeis

Schoknecht wirft einen Plastikkegel ins Becken, Eisbärdame Noria springt hinterher und platscht mit dem Bauch voran ins Wasser, dass es meterweit spritzt. Am Zaun oberhalb des Beckens drängen sich dutzende Zuschauer und machen Fotos von der neuen Zoobewohnerin. "Schwimmen und tauchen ist für Eisbären ein Volkssport, Noria war heute Morgen schon im Becken an der großen Scheibe und die Leute waren begeistert", sagt Schoknecht. In einer Halle neben dem Freigehege, wo sich auch eine Ausstellung zu Eisbären und ihrem Lebensraum befindet, können Besucher unterhalb des Wasserspiegels laufen. Manchmal kommen die Bären dort bis an die Scheibe, dann kann man Hand und Tatze vergleichen. "Sie sind neugierig und verspielt, ein wenig wie Hunde, manchmal erschrecken sie die Besucher auch gerne."

Ein Leben für die Eisbären

Für Tierpfleger René Schoknecht ist die Arbeit im Polarium ein Lebenstraum. Er war schon als Kind oft im Rostocker Zoo, als die Eisbären noch in deutlich beengteren Verhältnissen lebten, auf nur 830 Quadratmetern. "Einer von ihnen hieß Churchill. Der lebt heute nicht mehr, aber er hat Nachkommen in vielen Zoos. Der war ein Gigant und hatte eine sehr dominante Art", sagt Schoknecht. Die Eisbären, Elefanten und anderen Zootiere haben ihn damals so fasziniert, dass er als Jugendlicher eine Lehre als Zootierpfleger anfing.

Wer beobachtet hier eigentlich wen? Wenn sich viele Zuschauer am Zaun drängen, wird Noria neugierig.
Wer beobachtet hier eigentlich wen? Wenn sich viele Zuschauer am Zaun drängen, wird Noria neugierig.

© Thilo Rückeis

Seit acht Jahren ist er nun für die Eisbären verantwortlich, neben Noria auch für den stämmigen Akiak, der mehr als doppelt so viel wiegt, und für die vierjährige Sizzel, die über das Europäische Erhaltungszuchtprogramm aus Rotterdam nach Rostock kam. "Ich bin jeden Tag mit Noria, Akiak und Sizzel zusammen, im Grunde sind sie meine Kinder", sagt er. Den Respekt behält er trotzdem. "Ich komme ihnen sehr nah, gebe ihnen auch mal Leckerlis aus der Hand, aber es ist immer ein Gitter dazwischen, denn sie sehen zwar lieb aus, können aber auch ganz anders, es sind beileibe keine Kuscheltiere."

Es gibt insgesamt 3 Anlagen für die Bären

Das Polarium, das im September 2018 eröffnet wurde, ist nach den neuesten Standards der Zootierhaltung gebaut und eingerichtet worden. In der Tundralandschaft, die auf zwei Anlagen aufgeteilt ist, zeigen sich die Bären dem Publikum. Wenn sie genug von gaffenden Menschen haben oder einander aus dem Weg gehen wollen, können sie sich in einen dritten, nicht einsehbaren Bereich zurückziehen. Kritiker gibt es dennoch. Tierschützer werfen dem Zoo vor, die Bären aus rein wirtschaftlichen Gründen einzusperren. Schoknecht hält dagegen: "Als Zoo haben wir die Aufgabe, die Art zu erhalten, falls Eisbären in freier Wildbahn auf Dauer nicht überleben können und eine Auswilderung nötig sein wird."

Im Polarium sind die Humboldtpinguine die Nachbarn der Eisbären, in freier Wildbahn leben sie weit entfernt am Südpol.
Im Polarium sind die Humboldtpinguine die Nachbarn der Eisbären, in freier Wildbahn leben sie weit entfernt am Südpol.

© Thilo Rückeis

Zudem sei der Zoo für das internationale Zuchtbuch für Eisbären verantwortlich, weil hier bereits seit den 60er-Jahren Erfahrungen mit der Eisbärenzucht gesammelt wurden. "Unsere Eisbären sind aber auch so etwas wie Botschafter ihrer Art", sagt Schoknecht. "Wer ihnen einmal so nahekommt, wie hier bei uns, wird über Themen wie Umweltschutz und Erderwärmung vielleicht anders nachdenken als vorher."

Mirco Lomoth

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