zum Hauptinhalt
Ideal für Menstruierende. Der Halbmond hilft dabei, dem Beckenraum Weite zu geben.

© imago/mito

Die Yogakolumne: Entkrampft euch!

Umkehrhaltungen während der Periode sind nicht gefährlich, schreibt unsere Kolumnistin. Dennoch gebe es Übungen, die besser geeignet sind.

Neulich besuchte ich während eines Städtetrips die Yogaklasse eines drahtigen Kollegen. Der Mann beeindruckte alle mit gekonnt ausgeführten Umkehrhaltungen. Besonders engagiert zeigte er sich beim Kopfstand. Doch da – ich hatte es schon kommen sehen – richtete er sich auf gut Glück an die Gruppe: „Menstruierende, geht bitte da hinten in die Ecke und übt so lange den Schmetterling!“ Prompt schlichen drei Frauen mit hängenden Köpfen ans andere Ende des Studios, wo sie angespannt stehen blieben und auf weitere Anweisungen warteten wie auf das Eintreffen der Regelblutung nach ungeschütztem Sex.

Plötzlich ergriff eine der drei das Wort: „Leben wir im Mittelalter? Sind wir jetzt Unberührbare? Was soll der Quatsch?“ Der Drahtige löste seinen Kopfstand auf und landete auf den Füßen. Wer wagt es, sich seinen Instruktionen zu widersetzen? Sein verdutzter Ausdruck wich blitzschnell einer professionellen Miene. Er legte der Protestlerin nahe, dass Umkehrhaltungen während der Periode Apana Vayu, die nach unten fließende Energie, störten. Aus medizinischer Sicht seien sie ein No-go: Endometriosegefahr!

Die Frau schnaubte. „Ich bin Ärztin, und was du da erzählst, ist wissenschaftlich nicht belegt. Wenn sich eine menstruierende Frau auf den Kopf stellt, fließt das Blut doch nicht plötzlich in die falsche Richtung, und wuchern wird deswegen unten im Keller auch nichts.“

Was stimmt denn nun?

Nun mischte sich eine zweite Menstruierende ein. „Also, wenn ich mich auf meinem Mond befinde, feiere ich meine Weiblichkeit, zünde ganz schön Kerzen an, esse Schokolade und entspanne mich, weil …“ – „Wir sollten lieber mal über Grundsätzliches reden, zum Beispiel die Besteuerung von Tampons als Luxusartikel“, zischte die Ärztin.

Dem Yogalehrer wurde es wohl zu bunt. Leise lächelnd hüpfte er einfach in die nächste Umkehrhaltung – diesmal in den Handstand. Wahrscheinlich fühlte er sich in seinem verqueren Weltbild bestätigt: Frauen, die menstruieren, sind unberechenbar. Aber was stimmt denn nun?

Ich glaube nicht, dass Umkehrhaltungen bei gleichzeitiger Menstruation gefährlich sind. Dennoch gibt es natürlich genügend andere Übungen, die besser geeignet sind, um dem Beckenraum Weite zu geben und zu entkrampfen: den Halbmond zum Beispiel oder den unterstützten liegenden Heldensitz.

Auch Männer leben in Zyklen

Ich beobachte in letzter Zeit so viele extreme Macherfrauen mit eisernem Willen. Die wollen auf Teufel komm’ raus die härtesten Übungen machen. Es ist der Kopf, der ihnen das diktiert. Herausfordernder Job mit viel Verantwortung, Haare mit dem neuesten Dyson-Föhn gestylt – aber dann nur der Baum? Den Macherfrauen kann man 1000-mal raten, dem krampfenden Unterleib Aufmerksamkeit zu schenken – das haben viele längst verlernt. Jede Frau ist anders, trotzdem bin ich der Meinung, dass wir uns während der Menstruation nicht unnötig viel abverlangen sollten.

Auch Männer leben in Zyklen und sind gut beraten, nicht mit zusammengebissenen Zähnen gegen den Flow des Lebens zu steuern. Ein älterer Herr half mir jüngst, den Inhalt meiner umgekippten Handtasche vom Fußboden einer Bankfiliale zu klauben: Sonnenbrillenetui, Kleingeld – nur der rausgefallene Notfalltampon kullerte unaufhaltsam zur Tür. Ich hatte den Eindruck, eher hätte er mir eine Generalvollmacht für seine Depots gegeben, als das Ding aufzuheben. Entkrampfung geht anders.

Patricia Thielemann ist Chefin von spirityoga.de.

Patricia Thielemann

Zur Startseite