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Hunger auf Gebäck?: Es geht auch ohne Zucker!

Naschen aus Langeweile, der Lockdown kann süchtig machen. Aber Haushaltszucker muss gar nicht sein. Glauben Sie nicht? Hier sind zwei Rezepte.

Von Susanne Leimstoll

Als der Mensch noch Jäger und Sammler war, beherzigte er bei der Nahrungsaufnahme die Regel: Süß ist gut, bitter, weil möglicherweise verdorben, ist schlecht. Dieser Code, sagen Ernährungswissenschaftler, sei bis heute in uns gespeichert. Süßes schmeckt, es tröstet, macht gute Laune, gibt schnell Energie, weil es den Blutzuckerspiegel rasant ansteigen lässt – ehe er kurze Zeit später noch rasanter wieder absackt und die Lust auf Nachschub schürt. Haushaltszucker steckt heute in fast jedem Fertigprodukt – ein Verführer. Je süßer man ihn findet, desto mehr will man von ihm.

Der Trick ist Selbstüberlistung

In der Vorweihnachtszeit ist der Mensch wieder Jäger und Sammler – von Plätzchen und Stollen, von Dominosteinen und Lebkuchen, von Schokolade und Marzipan. Äpfel, Nüss und Mandelkern, die Knecht Ruprecht in Theodor Storms Gedicht noch im 19. Jahrhundert mitbrachte, sind heute allenfalls Beilagen. Die Lust ist groß, sich durch den Lockdown-Advent zu naschen. Wie, um Christkinds willen, kommt man da raus? Susann Kreihe, Köchin und Rezeptentwicklerin für Größen wie TV-Koch Johann Lafer, setzt auf Selbstüberlistung. Und Training. Auf ihr eigenes, schlaues Programm, das Schritt für Schritt wegführt vom raffinierten Haushaltszucker. Das ist eigentlich ganz einfach, denn es schafft Entwöhnung. Täglich ein bisschen weniger Einfach- und Zweifachzucker, dann vielleicht ein Quantum raffinierten Weißen durch Rohrohrzucker ersetzen. Und parallel einen Versuch wagen: backen mit natürlichem Zuckerersatz. Kann das klappen?

Zuckerfrei glücklich: Autorin und Köchin Susann Kreihe
Zuckerfrei glücklich: Autorin und Köchin Susann Kreihe

© Melissa Engel / Christian Verlag / promo

Einfach reduzieren

Vielleicht nicht sofort, da nimmt einem die passionierte Köchin und Mutter zweier Söhne, vier und sieben Jahre alt, die Euphorie. Als sie begann, von jetzt auf gleich zuckerfrei zu backen, reagierte die Familie muffig. Die Jungs verzichteten freiwillig auf Mutters Hausmacherkuchen, der Gatte sagte ehrlich seine Meinung – und verzichtete dann ebenfalls. Zucker-Schock mal anders. Sie selbst aber, die früher an keiner Bäckerei vorbeigehen konnte und noch als Erwachsene süchtig nach Omas Blechkuchen war, blieb hartnäckig. Sie merkte, nach industriellem Fertiggebäck grummelte ihr Magen, sie bekam Blähungen. „Ich fühlte mich nicht gut. Das machte die Kombi aus Zucker und industriellen Zutaten.“ Also probierte sie aus, reduzierte den Zucker beim alltäglichen Kochen und Backen, setzte sich und die Familie kaum merkbar auf Süßdiät.

Einer für alle klappt nicht

Und sie fand heraus, welcher natürliche Ersatz beim Backen für welchen Kuchen taugt. Apfelmark, also der reine Apfel, geschält und zu Mus verkocht, eignet sich bestens für Rührteige, ebenso überreife, zerdrückte Bananen. Der feine Karamellton von Ahornsirup macht sich gut in Hefe-, Rührteig, Nussfüllungen und Pudding. Reissirup ist selbst in einer Quark-Sahnecreme eine gute Alternative im Falle von Fruchtzuckerunverträglichkeit. Kokosblüten- oder Palmzucker funktioniert immer, süßt laut Kreihe „zuverlässig und hält den Blutzucker niedrig“. Allerdings rät sie, ihn wegen der kritischen Umweltbilanz – aufwendige Herstellung, lange Transportwege – in Maßen einzusetzen.

Schmeckt irgendwie anders

Dennoch: Alles besser als chemisch gewonnene Austauschstoffe wie Xylit, Erythrit oder Stevia. Die gaukelten dem Körper Süße nur vor, der Energieschub aber bleibe aus. Der Stoffwechsel merkt sich das und gerät aus dem Takt. „Und die Achtsamkeit beim Essen geht verloren, wenn alles so zuckersüß schmeckt wie immer.“ Susann Kreihes Familie hat sich mittlerweile umgewöhnt. Denn Mama hat so viel mit Zuckeralternativen experimentiert, dass sie am Ende selbst Klassiker wie Biskuitrolle, Frankfurter Kranz oder Schwarzwälder Kirsch ungezuckert gebacken bekam. Daraus hat sie ein ganzes Buch gemacht, das ganz nebenbei noch Wissensfutter liefert.

Hand aufs Herz, Frau Kreihe: Schmeckt Gebäck ungezuckert wirklich? „Anders, als man es kennt, aber nicht weniger gut. Jeder natürliche Zuckerersatz ergibt ja wieder ein neues Aroma“, antwortet sie. „Man muss, wenn man sich gesünder ernähren will, auch mal Gewohnheiten über Bord werfen.“

Kuchenklassiker ohne Zucker, Susann Kreihe, Christian Verlag 2020, 192 Seiten, 24,99 Euro
Kuchenklassiker ohne Zucker, Susann Kreihe, Christian Verlag 2020, 192 Seiten, 24,99 Euro

© Christian Verlag / promo

Schokolade darf sein

Und außerdem ein paar Backregeln beachten: Ohne Haushaltszucker bräunen Kuchen im Ofen schneller, also: Backtemperatur überprüfen oder um 20 Grad reduzieren. Noch nicht ganz Zuckerentwöhnte versuchen sich anfangs am besten an Rezepten mit Obst, Vanille, Zimt Kakao, Orangen- und Zitronenschale. „Die geben ein fruchtiges und volles Aroma und heben den Eigengeschmack.“ Wer einen Schritt weiter gehen möchte, zieht mineralstoffarmem Mehl der Type 405 Dinkelmehl der Type 630 vor, das auch mehr Eiweiß und Vitamine liefert. Und Schokolade? „Unbedingt“, sagt Susann Kreihe. Je dunkler, desto besser. Bei 80 Prozent Kakaoanteil liegt der Zucker bei etwa 10 Gramm pro 100 Gramm Schokolade.“ Das ist nicht viel. „Irgendwann“, sagt Susann Kreihe, „kommt der Zeitpunkt, an dem Sie eine gekaufte Praline essen und merken, sie ist Ihnen viel zu süß. Ein toller Moment!“

ZWEI REZEPTE OHNE HAUSHALTSZUCKER

Christstollen mit Rumrosinen (Foto oben)

Wer sagt, Stollen funktioniere nur mit Zucker? Bei diesem Rezept kommt die Süße aus den Trockenfrüchten. Wer es körnig mag, darf aber am Schluss ein bisschen streuen.

Zutaten
250 ml Milch
42 g frische Hefe
600 g Dinkelmehl (Type 630 plus etwas mehr zum Arbeiten)
150 g Rosinen
3 cl brauner Rum (alternativ aufgebrühter schwarzer Tee oder heißes Wasser)
50 g getrocknete Aprikosen
100 g getrocknete Datteln ohne Stein
1/2 unbehandelte Zitrone
1 Ei (Größe M)
200 g weiches Butterschmalz
1/2 TL Salz
100 g gehackte Mandeln
75 g Butter
Backpapier

Zubereitung
Für den Teig die Milch erwärmen, die Hefe in die lauwarme Milch bröckeln und darin auflösen. Mehl in eine Schüssel geben, in die Mitte eine Mulde drücken und die Hefemilch hineingießen. Mit einem Teil des Mehls zu einem dicken Brei verrühren. Abgedeckt an einem warmen, zugfreien Ort 15 Minuten gehen lassen.

Inzwischen die Rosinen mit dem Rum übergießen und einweichen lassen. Aprikosen und Datteln klein hacken, Zitrone heiß waschen, trocken tupfen und die Schale fein abreiben. Ei, Butterschmalz, Salz und den Zitronenabrieb zum Vorteig geben und alle Zutaten zu einem glatten, geschmeidigen Teig verkneten. Diesen noch einmal 30 Minuten gehen lassen. Anschließend die Rumrosinen abtropfen lassen und zusammen mit den gehackten Aprikosen, Datteln und Mandeln unterkneten.

Den Teig auf einer leicht bemehlten Arbeitsfläche zu einer dicken, etwa 30 cm langen Rolle formen. Mit dem Nudelholz in die Mitte längs eine Vertiefung drücken und eine Seite des Teiges über die andere schlagen. Ein Backblech mit Backpapier bedecken, die Teigrolle darauflegen und abgedeckt erneut 30 bis 45 Minuten gehen lassen.

Den Backofen rechtzeitig vor Ende der Gehzeit auf 170 Grad Ober-/Unterhitze vorheizen. Den Stollen auf der mittleren Einschubleiste 60 Minuten backen. Anschließend aus dem Ofen nehmen und abkühlen lassen, bis er lauwarm ist. Die Butter schmelzen und den Stollen damit großzügig bestreichen. Ganz erkalten lassen und zum Lagern in Backpapier einschlagen.

Tipp
Der original Dresdner Christstollen wird vor dem Anschneiden eigentlich noch kräftig mit Zucker oder Puderzucker bestreut. Das fällt bei einer zuckerfreien Zubereitung natürlich weg. Fein gemahlener Kokosblütenzucker ist aber eine Alternative für alle, die nicht darauf verzichten möchten.

Cookies - ganz einfach

Zutaten (für etwa 25 Stück)
280 g Dinkelmehl (Type 630 plus etwas mehr zum Arbeiten)
180 g Butter
40 g Kokosblütenzucker
1 Prise Salz
1 Ei (Größe M)
Backpapier

Zubereitung
Mehl mit der Butter, dem Kokosblütenzucker, Salz, Ei und 1 bis 2 EL Wasser rasch zu einem glatten Teig verkneten. Diesen zu einer Rolle formen und abgedeckt für 30 Minuten kaltstellen.

10 Minuten vor Ende der Kühlzeit den Backofen auf 180 Grad Ober- /Unterhitze vorheizen. Backblech mit Backpapier auslegen.

Teigrolle in 25 Scheiben schneiden und diese gleichmäßig auf dem Blech verteilen. Bei Bedarf ein zweites Backblech verwenden. Nach Belieben mit einem Keksstempel Muster eindrücken.

Die Cookies auf dem mittleren Einschub 15 bis 18 Minuten backen. Abkühlen lassen und in einer gut schließenden Dose aufbewahren.
Tipp
Dieses Grundrezept lässt sich gut variieren oder verfeinern, etwa mit Schokodrops, gehackten Mandeln, diversen Nüssen, 2 EL Sesam, 1 TL Zimtpulver oder dem Mark einer halben Vanilleschote.

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