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Die Slow-Food-Vorsitzende Ursula Hudson bei der "Wir haben es satt"-Demo.

© Promo

Mundpropaganda - das Genuss-Interview: "Gut, sauber und fair"

Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland, über nachhaltigen Fleischkonsum, regionale und handwerkliche Küche - und wo sie es am liebsten genießt.

Wenn Slow-Food-Kollegen aus aller Welt nach Berlin kommen, was zeigen sie Ihnen?

Carlo Petrini, unser Gründer, wollte früher immer zu Michael Hoffmann ins „Margaux“. Der wollte gar nicht mehr irgendwo anders hin. Hoffmann hat schon früh das Gemüse in den Mittelpunkt gestellt, auch als das noch kein großes Thema war. Er hatte dann auch einen eigenen Garten. Aber das Margaux gibt’s ja nicht mehr. Heute würde ich Petrini das „Herz & Niere“ zeigen. Da geht es natürlich nicht ums Gemüse. Sondern ums Tier und die gesamte Verwertung. Die verarbeiten auch Tiere in einem Alter, in dem die normalerweise gar nicht mehr auf den Tisch kommen und auch besondere Rassen. Ich finde, wenn man schon Fleisch isst, dann muss das ganze Tier verwertet werden und nicht nur die wenigen Edelteile.

Wäre das „gut, sauber und fair“ - also den Prinzipien des Slow Food entsprechend?

Ja, und im Herz & Niere werden die gut vermittelt. Die erklären die Herkunft jedes Tieres, auch der Fische, sie wissen, wie sie gelebt haben und wie sie geschlachtet wurden. Die Weinkarte ist auch eine Freude. Ein Lokal, das Genuss und Politik aufs Schönste zusammenbringt.

Wie weit ist der Slow-Food-Gedanke in der Berliner Gastronomie verbreitet?

Nicht so weit. Jedenfalls auf den ersten Blick. Die Hauptstadt-Gastronomie ist extrem aufnahmefähig, was Trends und Länderküchen angeht und bietet eine ungeheure Vielfalt. Slow Food ordnet sich da ein. Es gibt nicht so viele Lokale, die im strengen Sinne nach unseren Kriterien arbeiten, ein guter Teil achtet aber sehr auf Herkunft der Produkte und arbeitet mit lokalen Lieferanten. Das ist gerade ein Trend. Ich habe ein bisschen Angst, dass alles, was als Trend auftaucht, auch wieder schnell verschwindet – und damit wichtige Dinge verloren gehen.

In der Spitzengastronomie ist Regionalität ein großes Thema. Wie ist das mit Restaurants für jeden Tag?

Sehr unterschiedlich. Viele kluge Köche erkennen, dass sie damit ein Alleinstellungsmerkmal bekommen können. Und damit leisten sie etwas Wichtiges, denn Gastronomie kann ein Vorreiter sein in Regionen, wo die Netzwerke zwischen Produzenten, Lebensmittelhandwerkern und Köchen schwach sind. Sie kann zeigen, was gute Produkte sind, wie Traditionen schmecken. Da gibt es viele junge Leute, die sehr klug Genuss und Politik in Einklang bringen.

Wo sehen Sie das in Berlin?

Im „Doldenmädel“ oder im „Weinstein“ etwa. Ich komme ja aus Süddeutschland. Wenn ich da bin, schau ich in Unterammergau beim „Dorfwirt“ vorbei. Der hat sich ein grandioses Netzwerk aufgebaut, was in dieser Region gar nicht so ganz einfach ist. Ich geh ganz gern in die einfache Wirtschaft. Am Viktualienmarkt in München zum Hermannsdorfer. Ganz einfach, aber alles vom Erzeuger handgemacht.

Sie kommen aus der Zugspitzregion, sind oft in England. Wie viel Zeit verbringen Sie in Berlin?

Einmal im Monat komme ich. Mal eine Woche, mal ein paar Tage. Je nachdem, wie viel zu tun ist in unserer Geschäftsstelle. Ich habe das Glück, dass ich bei einer Freundin wohnen kann, die sehr gut kocht und wir gehen immer gemeinsam einkaufen. Da haben wir so unsere Quellen.

Welche denn?

Am liebsten gehen wir erstmal auf den Ökomarkt in der Domäne Dahlem. Besonders mag ich den Ziegenkäse-Stand vom Capriolenhof, die haben auch Fleisch, das sie selbst geschlachtet haben. Dann kommt immer der Nachschlag bei Axel Szilleweit am Winterfeldtmarkt mit seinen echten Teltower Rübchen, die hat ja fast keine mehr. Und auch weil man da so nette Menschen trifft, geh ich gern in die Markthalle IX. Das Brot kauf ich bei Sironi, den Rohmilchkäse bei Alte Milch, Fleisch bei Kumpel & Keule, die sind sind in Berlin die besten, aber als Süddeutsche muss sich schon sagen, die Metzger da müssen sich auch nicht verstecken. Aber viel Fleisch und Fisch gibt’s bei mir eh nicht.

Adressen: Herz & Niere, Fichtestr. 31, Kreuzberg | Doldenmädel, Mehringdamm 80, Kreuzberg | Weinstein, Lychener Str. 33, Prenzlauer Berg | Dorfwirt, Pürschlingstr. 2, Unterammergau | Herrmannsdorfer, Frauenstr. 6, München | Domäne Dahlem, Königin-Luise-Str. 49, Dahlem | Winterfeldtmarkt, Winterfeldtplatz, Schöneberg | Markthalle IX, Eisenbahnstr. 42/43, Kreuzberg

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

Felix Denk

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