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Annika Schleu bei den Olympischen Spielen 2021.

© imago images/Xinhua

„Hau mal richtig, hau richtig drauf!“: Was wurde aus der Berliner Fünfkämpferin Annika Schleu?

Für ihren Medaillentraum bei Olympia traktierte die Berlinerin Annika Schleu ihr Pferd – auf Anweisung der Bundestrainerin. Der Skandal hatte Folgen für den Sport.

Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio lag die Moderne Fünfkämpferin Annika Schleu auf Goldkurs, als ihr beim Springreiten das zunächst verunsicherte, dann panische Pferd bockte. Daraufhin rief ihr Bundestrainerin Kim Raisner die Anweisung zu: „Hau mal richtig, hau richtig drauf!“

Annika Schleu haute drauf. Mindestens neun Mal mit der Gerte, dazu setzte sie mehrfach die Sporen ein. Die Bundestrainerin schlug auch selbst mit der Faust auf das Pferd.

Zu einer Medaille führte das nicht, dafür aber zu öffentlicher Empörung, da die Szene inklusive Kim Raisners Anweisung gut hörbar im Fernsehen übertragen wurde. Annika Schleu erhielt anschließend Hassnachrichten.

Sie entschuldigte sich jedoch nicht, sondern wehrte sich gegen die Anschuldigungen: „Ich bin nach bestem Gewissen mit dem Pferd umgegangen.“ Kritiker verwiesen auf ein strukturelles Problem: Beim Modernen Fünfkampf, der aus Fechten, Schwimmen, Reiten, Schießen und Laufen besteht, bekommen die Reiter:innen für den Wettbewerb jeweils ein völlig fremdes Pferd zugelost.

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In der Hoffnung, trotz des Skandals und der öffentlichen Kritik auch künftig olympische Sportart zu bleiben, entschied sich der Weltverband der Modernen Fünfkämpfer im November 2022 zu Reformen: Das Springreiten wird durch einen Hindernisparcours ersetzt, bei dem die Sportler unter anderem an Ringen entlanghangeln, eine Leiter überwinden, auf einem Balken balancieren und eine gebogene Wand hinaufklettern müssen.

Mehrere Hundert Athleten kritisierten diese Entscheidung scharf, warfen dem Verbandspräsidenten autoritären Führungsstil und das Missachten ihrer Interessen vor. Annika Schleu sagt, die Regeländerung sei auch für sie eine „harte Nuss“ gewesen, an der sie „knabbern“ musste. Doch letztlich sei es wichtig, dass der Fünfkampf im olympischen Programm verbleiben könne.

Die Einführung des Hindernisparcours soll allerdings erst nach den Olympischen Spielen 2024 erfolgen. Bis dahin gilt die Neuregelung: Das Pferd darf während eines Vorfalls nicht mehr als drei Mal direkt hintereinander mit der Gerte geschlagen werden.

Annika Schleu hat geheiratet, heißt inzwischen Zillekens und konnte wegen ihrer Schwangerschaft nicht an den deutschen Meisterschaften teilnehmen. Diese wurden 2022 ohne Reiten als Vierkampf durchgeführt.

Reiterin und Bundestrainerin zahlten Geldbeträge

In Interviews sagt Annika Zillekens, sie wolle in den Leistungssport zurückkehren und 2024 in Paris „hoffentlich einen schönen Abschluss“ ihrer Karriere erleben. Über Tokio sagt sie mittlerweile: „Da habe ich unter Druck die Fassung verloren, und das bereue ich im Nachhinein extrem.“ 

Kim Raisner ist weiterhin Bundestrainerin. Ein Ermittlungsverfahren gegen beide wegen Tierquälerei, das die Staatsanwaltschaft nach Feststellung eines Anfangsverdachts aufgenommen hatte, ist nach Zahlung von Geldbeträgen eingestellt worden.

Der Deutsche Verband für Modernen Fünfkampf (DVMF) lobt Raisner als „eine der erfolgreichsten Trainerinnen in dieser Sportart weltweit“.

Dem Tagesspiegel gegenüber erklärt der DVMF, er habe „mit allen Beteiligten die Situation bewertet“. Kim Raisners Anweisung „Hau mal richtig, hau richtig drauf!“ kritisiert er nicht, sondern sieht lediglich den direkten körperlichen Eingriff der Bundestrainerin als Regelverstoß an. Auf die Frage, ob dem Pferd nach Einschätzung des Verbands Schmerzen zugefügt wurden, antwortet der DVMF ausweichend: Das Pferd sei „unverletzt und wohlauf“.

„Saint Boy“, das Pferd, kehrte nach dem Turnier zu seiner Besitzerin in die japanische Präfektur Shiga zurück. Ihm ist inzwischen ein Popsong gewidmet.

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