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Basis Sanae IV 

© Wikipedia/Dr Ross Hofmeyr, Wildmedic

Hilferuf aus dem Eis: Antarktis-Forscher werfen Kollegen Gewalt vor – Ministerium sieht keinen Grund zur Evakuierung

Auf einer entlegenen Forschungsstation am Südpol kommt es mutmaßlich zu Gewalt zwischen Teammitgliedern. Südafrikas Umweltministerium versucht, die Situation aus der Ferne unter Kontrolle zu bringen.

Stand:

Ein Mitglied einer südafrikanischen Forschungsstation in der Antarktis soll Personen in seinem Team körperlich angegriffen und sexuell belästigt haben. Das habe ein anderes Mitglied der neunköpfigen Gruppe am 27. Februar in einer E-Mail gemeldet, teilte das südafrikanische Ministerium für Forstwirtschaft, Fischerei und Umwelt mit.

Südafrikanischen Medienberichten zufolge fürchteten einige der Forscher auf der Basis Sanae IV um ihre Sicherheit. Der „Sunday Times“, die als erste Zeitung über die Vorfälle berichtete, liegt die entsprechende E-Mail vor. Demnach habe der Forscher einem Teammitglied auch mit Mord gedroht. „Ich bin zutiefst besorgt um meine eigene Sicherheit und frage mich ständig, ob ich das nächste Opfer werden könnte“, zitierte die Zeitung aus der Nachricht.

Die Forschungsbasis liegt mehr als 4000 Kilometer vom südafrikanischen Festland entfernt und ist aufgrund der rauen Wetterbedingungen nur schwer zu erreichen. Die Wissenschaftler seien dort einen Großteil des Jahres von der Außenwelt abgeschnitten.

Was genau in der Basis vorgefallen ist, lässt sich nicht sagen. Aus der Mail geht hervor, dass der mutmaßliche Täter eine Auseinandersetzung mit dem Teamleiter hatte, den er körperlich angriff. Zuvor soll er eine weitere Person sexuell belästigt haben.

Es gab offenbar Streit über Aufgaben

Ein Sprecher der südafrikanischen Regierung erklärte gegenüber der britischen „BBC“, dass der angebliche Übergriff auf einen Streit folgte, als der Teamleiter den Forschern eine Aufgabe übertragen wollte – „eine wetterabhängige Aufgabe, die eine Änderung des Zeitplans erforderte“.

Dass es auf Forschungsstationen, wo Menschen auf engem Raum in Isolation arbeiten, zu Zwischenfällen kommt, ist selten, passiert aber. So auch in der abgelegenen russischen Versorgungs- und Forschungsstation Bellingshausen. 2018 eskalierte ein lange schwelender Streit zwischen einem Schweißer und einem Ingenieur in einer Messerstecherei.

Craig Jackson, Professor für Gesundheitspsychologie an der Birmingham City University, den die „BBC“ interviewt hatte, erklärte: „Aus diesen seltenen Fällen, in denen etwas Schlimmes in erzwungener Isolation oder bei Kapselarbeit passiert, wissen wir, dass es oft die kleinen Dinge sind, die sich zu Konflikten auswachsen können.“ Dazu zählt er etwa die Hierarchie in einer Gruppe, Verteilung der Arbeitslast oder Freizeit sowie Menge der Essensportionen.

Er hat sich schriftlich bei dem Opfer entschuldigt und ist bereit, sich mündlich bei allen Mitgliedern des Stützpunkts zu entschuldigen.

Mitteilung des Umweltministeriums

Nach Eingang der E-Mail sei umgehend ein Prozess durch geschulte Fachkräfte eingeleitet worden, um zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln, sagte das Ministerium. Der mutmaßliche Täter habe sich demnach bereitwillig einer psychologischen Untersuchung unterzogen, Reue gezeigt und sei bereit, alle empfohlenen Maßnahmen zu befolgen.

„Er hat sich schriftlich bei dem Opfer entschuldigt und ist bereit, sich mündlich bei allen Mitgliedern des Stützpunkts zu entschuldigen“, hieß es in der Mitteilung.

Ministerium sieht keinen Anlass, Mitglieder zu evakuieren

Nach Angaben des Ministeriums ist mittlerweile auch ein längerfristiger Interventionsprozess an der Basis eingeleitet worden, um ein gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Spezialisten seien täglich mit der Crew in Kontakt.

Auch sei ein arbeitsrechtliches Verfahren eingeleitet worden, um die Vorwürfe des körperlichen Übergriffs und der sexuellen Belästigung zu untersuchen. Anlass, Mitglieder des Teams von der Basis zu evakuieren, gäbe es derzeit nicht, hieß es seitens des Ministeriums.

Südafrika ist das einzige afrikanische Land, das in der Antarktis eine Forschungsstation unterhält. Die Wissenschaftler waren am 1. Februar aus Kapstadt zur Sanae IV Station aufgebrochen und planen, dort für einen Zeitraum von etwa 13 Monaten zu überwintern.

Das Team auf der Basis besteht in der Regel aus einem Arzt, zwei Mechanikern, drei Ingenieuren, einem meteorologischen Techniker und einigen Physikern. (dpa/Tsp)

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