Gesellschaft: Köpfchen statt Näschen
Im virtuellen Labor myparfume.de mischen Kunden ihren Lieblingsduft
Stand:
In der virtuellen Welt der Düfte geht es ganz übersichtlich zu: Auf der einen Seite des Tisches warten die Mädchen, auf der anderen Seite die Jungs. „Männlich“ steht auf einer braunen Flasche, daneben sind die eher maskulinen Basisdüfte aufgereiht: frisch, grün, würzig, orientalisch. Am anderen Ende des Tischs steht eine andere braune Flasche mit der Aufschrift „weiblich“, daneben die femininen Basisdüfte: frisch, fruchtig, blumig, orientalisch. Frisch und orientalisch könnte man demnach als Unisex-Gerüche bezeichnen, aber die Namen sind eher eine Orientierungshilfe, denn zu den Basisgerüchen kommen noch 36 Zutaten, die den eigentlichen Charakter eines Parfums ausmachen. Zutaten von A wie Ambra bis Z wie Zedernholz. „Rein theoretisch kann man in unserem Labor acht Milliarden mögliche Düfte kreieren“, sagt Matti Niebelschütz, einer der drei Gründer von „myparfume.de“.
Es handelt sich um Deutschlands erste und einzige Geruchswerkstatt, bei der die Kunden per Internet ganz individuell ihr eigenes Parfum herstellen können. Deshalb die Ordnung: Auf der Seite im Netz sieht der „Labortisch“ sehr übersichtlich aus. Die Kunden wählen einen der Basisdüfte und fügen verschiedene Zutaten hinzu: „Man kann da nicht allzu viel falsch machen“, behauptet Niebelschütz. Ein Computersystem klügelt die Mischverhältnisse aus. Und auch die Basisdüfte wurden schon vorab von einer gelernten Parfümeurin zusammengestellt. Trotzdem respektiert das Team von „myparfume.de“ – Matti Niebelschütz, sein Bruder Yannis und Freund Patrick Wilhelm – die besonderen Wünsche der Kunden. „Manchmal sind es ja gerade die ausgefallenen Gerüche, die überraschend gut harmonieren. Etwas süßliches wie Himbeer und etwas würziges wie Ingwer zum Beispiel“, sagt Niebelschütz. Daher stellen sie einfach jeden Kundenwunsch zusammen, und wenn der dabei entstandene Duft nicht gefallen sollte, gibt es das Geld zurück. Was bisher aber nicht vorgekommen ist, versichert der 23-jährige Unternehmensgründer. Genaue Umsatzahlen will er nicht nennen, aber seit „myparfume.de“ vor einem Jahr online ging, liegt die Zahl der Bestellungen im fünfstelligen Bereich.
Die Idee zur Gründung entstand vor zwei Jahren auf einer Party. Halb entrüstet beklagte sich eine Freundin, dass sie ihr Parfum an einer anderen Frau gerochen habe. Von Individualität bei teuren Markendüften – keine Spur. Schon in Schulzeiten sprachen die Brüder Niebelschütz und ihr Freund Patrick Wilhelm darüber, ein Unternehmen zu gründen, nun machten sie den Traum wahr.
„Unsere Eltern sind beide selbstständig, vielleicht liegt das ja in der Familie“, sagt Matti Niebelschütz. Als blutige Anfänger in Sachen Parfum mussten die drei Freunde aber zunächst noch viel lernen. „Zuerst“, sagt Matti Niebelschütz, „hatten wir gar keine Ahnung von Gerüchen und haben mit Zutaten aus der Apotheke experimentiert: Eukalyptus und Zimt. Das roch dann eher nach Hustensaft.“ Die Experimentierphase endete, als sie begannen, mit einem professionellen Duftunternehmen zusammenzuarbeiten. Heute beschäftigen die drei Gründer zehn Mitarbeiter. In diesem Sommer setzte sich „myparfume.de“ gegen 748 konkurrierende Unternehmen durch und gewann den Businessplanwettbewerb der Region Berlin-Brandenburg.
Die für den Job nötige Inspiration holten sich die drei Freunde übrigens auch aus dem Film „Das Parfum“, der Verfilmung des Patrick-Süsskind-Bestsellers, in dem ein genialer Parfümeur einen alles überwältigenden Duft herstellt. „Der Film war Pflichtprogramm für eine Firma wie uns“, sagt Niebelschütz. Wobei das Unternehmen den Film eigentlich widerlegt, denn im Web 2.0 braucht man nicht genial sein, um ein einzigartiges Parfum zu komponieren. Man muss nicht mal die richtige Nase haben, um unter acht Milliarden möglichen den richtigen Duft für sich entdecken – nur Köpfchen.
www.myparfume.com
Rein theoretisch kann man in unserem Labor acht Milliarden Düfte kreieren.
Und man kann nicht allzu viel falsch
machen. Ein Computer klügelt das richtige Mischverhältnis aus. “
Matti Niebelschütz,
Mitgründer der Internetfirma myparfume.de
Daniel Stender
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: