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Medien: Angst der Entscheidung

Eine vierteilige ARD-Dokureihe über Menschen, die weitreichende Entschlüsse fassen müssen

Claudia und Elke sind schwanger. Beide erfahren, dass ihr zweites, noch ungeborenes Kind behindert sein wird. Gemeinsam mit ihren Partnern stehen sie vor einer existenziellen Wahl: „Austragen oder abtreiben?“ So lautet der Titel der ersten Folge der vierteiligen Dokureihe „Die Entscheidung“, die ab heute montags im Ersten läuft. Die einzelnen Filme handeln jeweils von Menschen, deren Entschluss für sie selbst und andere weitreichende Folgen hat. So geht es auch in der dritten Folge („Leben oder sterben lassen“, 21. Januar) um Leben und Tod, in der sich die Partner von Wachkomapatienten fragen, wie lange sie die lebenserhaltenden Maßnahmen aufrechterhalten sollen.

In der heutigen Folge zum Thema Abtreibung entscheiden sich Claudia und ihr Mann Lars dafür, ihr Kind zur Welt zu bringen, Elke und Rafael dagegen. Die Autoren Gisela und Udo Kiliman dokumentieren dabei nicht die verschiedenen Facetten der Abtreibungsproblematik. Ihr Film schildert vielmehr das mühsame Ringen der beiden Paare über mehrere Wochen, bevor und vor allem nachdem sie sich entschieden haben. Die Eltern sind sich einig und erzählen in eindrucksvoller Offenheit von ihren Ängsten und Hoffnungen. „Wir hoffen, dass das Kind wenigstens so lebensfähig ist, dass wir uns ordentlich verabschieden können“, sagt Lars. Dagegen steht bei Elke und Rafael die Sorge im Vordergrund, mit der Situation überfordert zu sein. Die 40-jährige Elke, die auch bereits eine Fehlgeburt hinter sich hat, will lieber jetzt eine Entscheidung gegen das Kind treffen, als es irgendwann abschieben zu müssen, weil sie selbst für eine Pflege zu alt sei. „Ich möchte nicht in deren Haut stecken“, sagt ihre Frauenärztin, der es als Katholikin „sehr schwerfällt, mir diesen Eingriff auch nur vorzustellen“, aber offenkundig froh ist, dass sie nicht selbst entscheiden muss. Einfache und schnelle Antworten gibt es jedenfalls nicht. Die Paare durchleben Höhen und Tiefen, kämpfen zeitweise mit Ungewissheiten, zweifeln, verzweifeln und arrangieren sich am Ende mit ihren Entscheidungen.

Davon erzählen Gisela und Udo Kiliman ohne weltanschauliche Scheuklappen und mit filmischer Prägnanz. Der Kommentar aus dem Off beschränkt sich auf die nötigsten Informationen, während die Kamera die Paare zu Hause, bei Arztbesuchen und im Krankenhaus mit dem gebotenen Respekt begleitet. Ihre jeweilige Geschichte entwickelt sich parallel, das birgt allerdings die Gefahr, dass sich die Kommentare der Protagonisten durch den Gegenschnitt scheinbar auch auf den anderen Fall beziehen. Zumindest einmal ist das grenzwertig: Wenn der Arzt nach der Abtreibung Elkes Mann Rafael die Mitteilung überbringt, es sei „alles wunderbar verlaufen“, wirkt dies besonders zynisch, weil in der Szene zuvor das Kind von Claudia als Totgeburt zur Welt gekommen war. Die Trauer bleibt keinem der beiden Paare in diesem nachdenklich stimmenden Film erspart. Thomas Gehringer

„Die Entscheidung: Austragen oder abtreiben?“, ARD, 21 Uhr

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