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Medien: Aus Angst geschossen

„Reporter ohne Grenzen“ untersuchte Angriff auf das Hotel Palestine

Ein Untersuchungsbericht der Journalistenorganisation „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) macht ein US-Militär-Kommando für den Tod der zwei Journalisten verantwortlich, die am 8. April 2003 beim Beschuss des Bagdader Hotels Palestine ums Leben kamen. Der französische ROG-Mitarbeiter Jean-Paul Marie hat aus Aussagen des Todesschützen, des Kommandeurs der US-Armee, der den Feuerbefehl gab, sowie aller sonstigen Augenzeugen den Fall rekonstruiert. Schuld am Tod des Reuters-Kameramanns Taras Protsyuk und seines spanischen Kollegen José Couso sei demnach, dass die Soldaten nicht über den Aufenthalt der Journalisten in dem Hotel informiert waren. Scheinbar ohne Grund hatten sie damals auf das Hotel gefeuert.

„Nachdem die Soldaten erfahren hatten, dass sich die Journalisten dort aufhielten, hörten sie sofort auf zu schießen“, kommentiert der deutsche ROG-Sprecher Dietrich Schlegel den Bericht. Das beweise, dass die Soldaten gar nicht geschossen hätten, wenn sie besser informiert gewesen wären. „Wir verlangen eine Aufklärung des ,missing link’ in der Informationskette.“ ROG machen vor allem General Buford Blount, Kommandeur der 3. Infanteriedivision, dafür verantwortlich, die nötige Information an die Soldaten nicht weitergeleitet zu haben. Es gelte nun herauszufinden, ob die Information aus Nachlässigkeit oder absichtlich nicht weitergegeben wurde, sagt Schlegel.

Kritik übt er an den offiziellen Stellungnahmen der US-Regierung. Erst hatte das Pentagon erklärt, die Soldaten hätten in Notwehr gehandelt, nachdem Schüsse aus dem Hotel oder aus der Nähe gekommen waren. Nachdem mehrere Zeugenaussagen diese Behauptung widerlegt hatten, zog das Pentagon diese Begründung zurück. „Die zweite Version der Armee ist die, dass sich die Soldaten durch einen irakischen Späher vom Dach oder Balkon des Hotels beobachtet fühlten und deswegen schossen“, sagt Schlegel.

Die Journalistenorganisation betont, dass Sergeant Shawn Gibson, der die Schüsse aus dem Panzer abgab, und Captain Philip Wolford, der das Feuer befahl, keine Schuld trifft. „Wir haben Verständnis dafür, dass die Soldaten Angst haben und sehr schnell schießen“, sagt Schlegel. So zeige der Tod des Journalisten Mazen Dana, wie nervös die Soldaten im Irak reagierten. Der Reuters-Kameramann starb, weil ein Soldat sein Kameraobjektiv mit einem Granatwerfer verwechselte – zumindest nach Aussage der US-Armee.

Zeugenberichte der ersten Tage, nach denen die US-Armee mit Absicht auf die Journalisten geschossen hätte, sieht Schlegel als widerlegt an. „Diese Berichte sind durch den Schock, unter dem die Leute standen, zu erklären.“ Allerdings bemängelt ROG, dass die US-Regierung einen deutlichen Unterschied zwischen den so genannten „embedded journalists“ und den unabhängigen Reportern gemacht hätte. Die Journalisten waren in den Tagen vor dem 8. April von der US-Regierung aufgefordert worden, den Irak zu verlassen. Es hätte sehr nach „ihr seid selber Schuld, wenn was passiert“ geklungen, sagt Schlegel.

Johanna Rüdiger

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