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Rainer Braun war unnachgiebig, wenn es um die Qualität von Fernsehen ging.

© Ulrich Spies

Rainer Braun ist gestorben: Beachtet, geschätzt, gefürchtet

Er war ein streitbarer Publizist und ein Medienkritiker, der das Pro und das Contra schätzte. Ein Nachruf auf Rainer Braun

Stand:

Immer wenn der aus Berlin-Spandau stammende Journalist Rainer Braun Pressekonferenzen, Medienfachtagungen oder öffentliche Bühnen betrat, ging ein Raunen durch die Reihen der Anwesenden. Seine ihm eigenen Markenzeichen waren die schulterlangen Haare und der ebenso lange Vollbart. "Der sieht ja aus wie Rasputin", dachten oder sagten viele, die ihm zum ersten Mal begegneten.

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Als Verantwortlicher des Adolf-Grimme-Preises war auch ich bereits vor seiner ersten Berufung in Nominierungskommissionen des Marler Preises für Fernsehkultur ‚gewarnt’ worden: Der Mann ist schwierig! Sein Redefluss ist kaum zu stoppen, seine Programm- und Sachkenntnis sind so umfassend und überzeugend, dass er die miturteilenden Juror:innen oft leicht von seiner professionellen Kritik zu überzeugen vermochte.

Kämpfen bis zur Erschöpfung

Manchmal kam ich unweigerlich auf den Gedanken, dass es kaum ein fiktionales oder dokumentarisches TV-Programm oder –format von Qualität gab, das er nicht bereits vor oder während der Erstausstrahlung im Fernsehen gesehen hatte. Und wenn ihm ein Thema oder ein formal innovativer Ansatz – aus welchem Genre des Programms auch immer – besonders wichtig war, dann kämpfte er nicht selten bis zur argumentativen Erschöpfung für die Sache und die sie überzeugend darbietenden Protagonist:innen.

Der inzwischen vielfach dekorierte TV-Unterhaltungskünstler Kurt Krömer ist das lebende Beispiel für die Hartnäckigkeit, mit der Rainer Braun mehrere Male zu dessen Nominierung beitrug, bevor ihm durch die preisvergebende Jury 2012 erstmals die lang ersehnte Grimme-Trophäe zuerkannt wurde.

Als Journalist und Medienkritiker interessierte sich Rainer Braun jedoch nicht nur für das öffentlich-rechtliche und private TV-Programm. Er war durch investigative Recherchen stets gut und hintergründig über politische Mauscheleien sowie persönliche Karriere-Muster von TV-Hierarch:innen informiert. Genau darum waren seine Auftritte bei TV-Pressekonferenzen geachtet und zugleich gefürchtet.

Deutscher Preis für Medienpublizistik

In Anerkennung seiner Verdienste um die kritische Beobachtung und Begleitung der Medien wurde Rainer Braun 2004 der Deutsche Preis für Medienpublizistik verliehen. Gestiftet vom Verein der Freunde des Adolf-Grimme-Preises und benannt nach Bert Donnepp, dem "Erfinder" des seit 1964 anerkannt wichtigsten Preises für Fernsehkultur.

Nach Ansicht der preisvergebenden Jury prägt „ein aufklärerischer Impuls das Grunddenken von Rainer Braun weshalb er den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dessen Grundkonstruktion er schätzt, immer wieder an seinen umfassenden gesellschaftlichen Auftrag erinnert. Braun, der in der Fachpresse sowie in diversen Zeitungen publiziert, ist ein im besten Sinne streitbarer Journalist. Mokant-süffisantes Imponiergehabe ist seine Sache nicht, schillernde Äußerlichkeiten und oberflächliche Modetrends können ihn nicht beeindrucken. Mögen hingegen Wertbegriffe wie Ethik und Verantwortung für viele im modernen Medienbusiness, um es salopp zu sagen, einen langen Bart haben – Braun, Analytiker der Medien- und Programmpolitik, steht dazu.“

Charme und Klasse eines Stils

Und Thomas Schadt, damals und heute Direktor der renommierten Filmhochschule Baden-Württemberg in Ludwigsburg, hob in seiner Laudatio auf Rainer Braun hervor: „Der Charme und die Klasse seines Stils bestehen darin, dass er sich in seiner Arbeit genau um die journalistischen Tugenden bemüht, die sich als angestaubt, zu schwierig, zu langwierig oder/und zu trocken aus der total farbübersättigten Welt gegenwärtiger Bilder, Töne und Wörter nahezu verabschiedet haben:

das genaue Beobachten, beispielsweise, das dazu da ist, Zusammenhänge zwischen äußerer Form und inhaltlicher Aussage zu erkennen; eine umfassende Recherche; eine sachliche Sprache, die frei von Häme, Zynismus und ohne Überheblichkeit und Besserwisserei einen bedachten Zugang zum Thema sucht; das analytische Pro und Contra, das dem Leser am Ende Raum gewährt, sich, neben der Konklusion des Autors, auch ein eigenes Urteil bilden zu können; sowie die notwendige kritische Distanz zum Thema und zu sich selbst.“

Rainer Braun ist am 12. April 2022 in Berlin-Spandau gestorben.

Der Autor war langjähriger Referent des Adolf-Grimme-Preises.

Ulrich Spies

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