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Medien: Cowboy-und-Indianer-Spiele

Der amerikanische Fernsehsender CBS produziert Dreiteiler über den jungen Adolf Hitler

Von Gerti Schön

Adolf Hitler scheint auf die Fernsehmacher in den USA eine neue Faszination auszuüben. Das umstrittenste Projekt plant derzeit das TV-Network CBS, das eine vierstündige Miniserie über Hitlers Jugend produzieren will. Der Film ruft schon jetzt zahlreiche Gegner auf den Plan, darunter die Anti-Defamations-Liga der USA, diverse Veteranenorganisationen und die beinahe gesammelte Schar von Fernsehkritikern der nordamerikanischen Zeitungen. „Sie spielen mit dem Feuer“, kommentiert der kanadische „Toronto Star“ und weist darauf hin, dass die Produktion schon allein um der Dramatisierung willen eine gewisse Identifikation des Zuschauers mit dem Protagonisten herstellen müsse. „Deswegen fühlt man ja bei Filmen wie ,Der Pate“ am Ende immer Mitleid mit dem Fall des Gangsters.“

Die „New York Times“ weist darauf hin, dass eine solche Aufgabe schlecht in den Unterhaltungsabteilungen eines massenwirksamen Senders aufgehoben ist. „Das tiefere Problem liegt darin, dass die Fähigkeit kommerzieller Unterhaltungsmedien, komplexe historische und moralische Sacherverhalte darzustellen, im Allgemeinen unzureichend ist.“

Ron Rosenbaum, der 1999 das Sachbuch „Explaining Hitler“ heausgebracht hat, versuchte darin den Wurzeln des Diktators nachzuspüren. Doch er wurde enttäuscht. Die Quellen seien extrem lückenhaft, und auch in der Literatur gebe es nicht „ein Hitler-Bild, auf das man sich einigen könnte, sondern eine ganze Reihe von miteinander konkurrierenden Hitlern“. Vor allem die Grundlagen der vorhandenen psychoanalytischen Untersuchungen seien „lächerlich dünn“. Wenn er seine Bemühungen zusammenfasst, klingt er beinahe resigniert: „Ich bin zu einem Pessimisten geworden, wenn es darum geht, ultimative und überzeugende Informationen über Hitlers Bösartigkeit zu haben“, sagt Rosenbaum.

Der CBS-Film basiert auf dem ersten Teil der Biografie des in weiten Kreisen respektierten englischen Historikers Ian Kershaw, der über das Projekt Bescheid weiß, derzeit jedoch keinen Kommentar dazu abgibt. Das Drama soll nicht nur die persönliche Familiengeschichte Hitlers porträtieren, sondern auch das politische Klima der Weimarer Republik und des Ersten Weltkriegs in Deutschland. Laut einem Bericht der „Los Angeles Times“ wird Hitler als „launischer, zwölfjähriger Junge“ eingeführt, „der mit seinen Freunden im österreichischen Linz Cowboy und Indianer spielt“.

Die Dreharbeiten werden ab Herbst in Deutschland und in Tschechien stattfinden, das Budget beträgt 20 Millionen Dollar. Ausgestrahlt werden soll die Miniserie im nächsten Jahr, irgendwann während der „Sweeps Weeks“. Die „Sweeps“ finden mehrmals im Jahr während eines ganzen Monats statt, auch im Februar oder Mai, wenn die vierstündige Serie in zwei Teilen gezeigt werden soll. Die Werbeindustrie nimmt die Einschaltquoten aus jenen Monaten, um die Anzeigenpreise für das ganze Jahr zu veranschlagen. Die Sender, wohl wissend, was auf dem Spiel steht, zeigen in dieser Periode besonders quotenträchtige Filme. Hitlers Kindheit soll mit dafür sorgen. Allerdings werden sich die Produzenten zumindest auf die Möglichkeit einstellen müssen, dass die Werbeindustrie bei ihren Buchungen zögern wird.

CBS-Chef Leslie Moonves hat bei der Bekanntgabe der Pläne zu verstehen gegeben, dass er einen exklusiven Sponsorenvertrag bevorzugen würde. Einen solchen Sponsoren hatte CBS mit der Telefon-Firma Nextel auch während der Ausstrahlung der zweistündigen Dokumentation der französischen Brüder Naudet aus den brennenden Türmen des World Trade Centers am 11. September gewonnen. Um dem Hitler-Projekt mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, wurde Nancy Tellem in den Ring geschickt. Sie ist die Chefin der CBS-Unterhaltungsabteilung, in der das Drama redaktionell verantwortet wird. Tellem, deren jüdische Eltern während des Krieges vor den Nazis in die USA flüchteten, beteuert: „Wichtig ist, wie man es handhabt. Es kommt mir darauf an zu sehen, wie eine solche Person an die Macht kommen konnte.“

Für die Rolle des jugendlichen Hitlers wurde der britische Schauspieler Ewan McGregor ins Gespräch gebracht, der durch den Indie-Spielfilm „Trainspotting" bekannt wurde. Die in Kanada beheimatete Produktionsfirma der Reihe, Alliance Atlantis, hat bereits das Gerichtsdrama „Nürnberg" produziert. Das Network CBS hat bereits eine zweite Hitler-Produktion am Laufen. Noch in diesem Jahr soll das Drama „Max“ gezeigt werden, in dessen Mittelpunkt Hitlers Maler- Freund, Max Hoffmann (gespielt von John Cusack), stehen wird. Auch die britische BBC plant eine dreiteilige Fernsehreihe über den jungen Hitler nach dem Drehbuch des Novellisten William Boyd.

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