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Medien: Der geläuterte Nazi?

„Speer und Er“: Das TV-Projekt von Heinrich Breloer über Hitler und seinen Architekten

Wie der nette Onkel Hitler den schmuck herausgeputzten Kindern die Wangen tätschelt, das sind bekannte Bilder vom Obersalzberg. Auch Albert Speer junior kennt sie, denn es waren ja seine Wangen. Er kommentiert die alten Aufnahmen launig, als wären es Szenen aus einem Familien-Video. „Ganz schön fett war er“, sagt er über seinen Vater, der da steif vor Respekt neben dem „Führer“ steht. „Für uns Kinder war das eine richtig heile Welt“, erklärt Speer, heute einer der prominentesten Architekten in Deutschland, dem Filmemacher Heinrich Breloer seine Kindheit in Berchtesgaden.

Manchmal ging es mit der ganzen Familie hinauf zum Besuch auf den Obersalzberg, wo Hitler residierte; denn Albert Speer senior war der Lieblings-Architekt des „Führers“ und später sein Rüstungsminister. Nach dem Krieg saß er zwanzig Jahre im Spandauer Gefängnis, veröffentlichte nach seiner Freilassung einen autobiografischen Bestseller und war bis zu seinem Tod 1981 als angeblich geläuterte Nazi-Größe salonfähig und als Zeitzeuge umworben.

Auch Heinrich Breloer interviewte Albert Speer einige Monate vor dessen Tod. Nach dem enormen Erfolg mit „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“ knüpft der 61-jährige Autor und Regisseur an seine damalige Begegnung an, um die Geschichte dieses „Verführers und Verführten“ zu erzählen: seinen Aufstieg im Dritten Reich, „seine tolle Performance“ (Breloer) vor dem Nürnberger Tribunal und seine mit Erinnerungsarbeit ausgefüllte Zeit im Spandauer Gefängnis. Auch dort „ist er bei Hitler all die Jahre“, sagt Breloer und folgerichtig will er den Film „Speer und Er“ nennen, wovon die beteiligten Sender noch nicht so recht überzeugt sind. Die seltsam innige Beziehung zwischen dem bürgerlich-intellektuellen Architekten und dem vom Obdachlosen zum Diktator aufgestiegenen Hitler wird das zentrale Thema sein. Also weniger ein Familien-Epos wie bei den „Manns“, auch wenn Breloer drei der sechs Speer-Kinder dazu überreden konnte, sich vor der Kamera den Erinnerungen zu stellen. Neben dem Architekten Albert sind das Hilde Schramm, in Berlin und Brandenburg als Grünen-Politikerin engagiert, und Arnold Speer, Landarzt in Norddeutschland.

Es wird, wie könnte es nach den 23 Preisen für den in 40 Länder verkauften Dreiteiler „Die Manns“ anders sein, ein weiteres opulentes Breloer-Werk in drei Teilen, das sich die ARD-Sender WDR, NDR und BR sowie Filmproduzent Bavaria und die Filmstiftung NRW zwölf Millionen Euro kosten lassen. 2005 soll es im Ersten zu sehen sein. 122 Stunden Dokumentarmaterial hat Breloer bereits gedreht. Zu den 23 interviewten Zeitzeugen zählen die mittlerweile verstorbene Leni Riefenstahl und Speer-Biograf Joachim Fest. Der ehemalige „FAZ“-Herausgeber war schon als enger Berater bei Speers Buch-Veröffentlichung „Erinnerungen“ (1969) maßgeblich daran beteiligt, dass der Organisator der deutschen Kriegswirtschaft „bis heute als große Entlastungsfigur im Nachkriegsdeutschland durchgegangen ist, was völlig unglaubwürdig ist“, wie Heinrich Breloer sagt. Den Deutschen sei es willkommen gewesen, dass sogar jemand wie Speer nichts vom Holocaust gewusst haben wollte. Breloer will auf Widersprüche in den Darstellungen Speers gestoßen sein und zum Beispiel nachweisen, dass Speers Verantwortung für die unsagbar grausamen Verhältnisse im KZ Dora größer war als bisher angenommen.

Ende Februar beginnen nun die Dreharbeiten für die Spielszenen – auch das mit immensem Aufwand: In München und Köln entstehen die Studio-Nachbauten von Hitlers Arbeitszimmer, des Spandauer Gefängnisses samt Garten und des Nürnberger Gerichtssaals. Die Rolle des Albert Speer hat Sebastian Koch übernommen, der Spezialist für zeitgenössische Figuren (Andreas Baader, Klaus Mann, Richard Oetker und demnächst Graf von Stauffenberg). Auch Dagmar Manzel als Speers Ehefrau, Veronica Ferres als seine Sekretärin und in weiteren Rollen Axel Milberg und August Zirner werden zu sehen sein.

Breloer wagt sich mit „Speer und Er“ bis in die „Herzkammer des Dritten Reichs“. Das Publikum soll Hitler, diese „verrückteste und interessanteste Figur des 20. Jahrhunderts“, im Spiegel von Speers Erinnerungen besser verstehen lernen. Dabei soll Hitler gerade nicht als „zappelndes Monster“ erscheinen. Der österreichische Schauspieler Tobias Moretti hat die Aufgabe übernommen, den Mega-Bösewicht als normalen Menschen zu spielen, ohne dass seine Taten verniedlicht werden. „Ich hoffe, dass er dies mit dem glutäugigen Charme eines Wiener Oberkellners tut“, sagt Breloer, und man ahnt, dass es mehr als ein „kleines Risiko ist, Hitler so darzustellen“.

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