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Sacha Baron Cohen als Mossad-Agent in der Netflix-Serie "The Spy"

© Netflix

Sacha Baron Cohen in „The Spy“: Der perfekte Agent

Die Verwandlung: In der Netflix-Serie „The Spy“ überzeugt Sacha Baron Cohen als wahrhaftiger Mossad-Spion Eli Cohen.

Sacha Baron Cohen sitzt an einer alten Rechenmaschine und tippt und tippt und tippt. Er lächelt dazu verbissen und tippt schneller, lächelt verbissener, tippt besessener und grinst plötzlich debil wie so viele Figuren dieses Alter-Ego-Komikers. Zwölf Uhr. Mittagspause, denkt man da mit Sacha Baron Cohens neuer Filmfigur. Doch weil sie auch noch heißt wie ihr Dar-steller, denkt man mehr noch, dass der Parodist pseudodokumentarischer Knallchargen von „Borat“ über „Ali G“ bis „Brüno“ mal wieder eines seiner Zerrbilder vorführt und damit letztlich das Publikum – diesmal als eifriger Prokurist der späten Nachkriegszeit, die ja wohl nur ein Witz sein kann.

Wie weit entfernt dieses Vorurteil von der Wirklichkeit ist, sieht man allerdings in den Szenen vor und nach dem letzten Tastendruck: Während Eli Cohen zu Beginn des Sechsteilers „The Spy“ von Folter gezeichnet einen Abschiedsbrief an seine Frau schreibt, folgt auf die biedere Bürosequenz im Anschluss ein Moment von melodramatischer Tiefe. Bevor der realexistierende (und nicht mit Sacha Baron verwandte) Versicherungsvertreter zum berühmtesten aller israelischen Spione wird, muss er allein am Schreibtisch essen, während sein Kollegium fröhlich zur Kantine wandert. Denn Eli Cohen ist, besser: war ein Jude aus Ägypten, den Einheimische trotz gleichen Glaubens wegen seiner Wurzeln verachten. Kein guter Stoff für Witze. Aber ein furioser für Dramen.

Zu gut, um schlecht erdacht zu sein

Schließlich ist die Geschichte von Eli Cohen – abzüglich einiger Interpretationsspielräume zum Wohle der Unterhaltung – schlicht zu gut, um schlecht erdacht zu sein. Weil der arabische Zionist Elijahu ben Schaul Cohen nicht nur bürgerlicher sein will und aussieht als der Mainstream, sondern auch noch zahllose Sprachen spricht, wirbt ihn der Mossad für eine lebensgefährliche Mission an: Er soll von Buenos Aires aus in die syrische Führungsschicht eindringen, um Informationen zum bevorstehenden Angriff auf Israel zu holen, der acht Jahre später tatsächlich zum Sechstagekrieg führt. Ob er für sein Land Frau und Kinder verlassen würde, fragt ihn sein Verbindungsoffizier Dan (Noah Emmerich). Weil er endlich dazugehören will, sagt Cohen nach kurzem Zögern Ja.

Unter der Regie von Gideon Raff, der mit dem „Homeland“-Vorbild „Hatufim“ oder Filmen wie „The Red Sea Diving Resort“ bereits Erfahrung mit Agententhrillern im Nahost-konflikt hat, beginnt hier eine Druckbetankung mit Spionage-Skills vom Morsen übers Tarnen bis hin zum Robben, die aus dem jüdischen Superspießer Cohen den syrischen Superspion Thabeet macht, der sich bald spielend in der arabischen Upperclass zurecht findet. Das Verwandlungstempo ist zwar ähnlich seltsam wie die Ahnungslosigkeit seiner verblüffend heißen Frau (Hadar Rotzon-Rotem), der selbst das Muskelwachstum ihrer Couch-Potatoe nicht auf-fällt. Und der Akzent, mit dem selbst im Original alle reden, nervt fast noch mehr als das glattgebügelte Deutsch der Synchronfassung.

Tödlicher Übereifer

Kein Wunder, dass die Zeitung „Haaretz“ vor Ort beklagt, wie konventionell das amerikanische Biopic ihres Landsmannes bisweilen sei. Weil Sacha Baron Cohen die angepasste Schneidigkeit des Parias, der gern Parvenü wäre und seine Lügen in fürsorgliche Männlichkeit hüllt, so brüchig mit Leben füllt, ist „The Spy“ am Ende aber mehr als die Summe seiner Geheimdienst-Klischees. bei aller Action erzählt es ja auch vom Übereifer, mit dem Fremde allerorten oft um Integration kämpfen. Eli Cohen, das weiß in Israel jedes Kind, wurde damit zur Legende. Auch wenn es ihn, das weiß nun auch jeder Zuschauer, das Leben gekostet hat.

Jan Freitag

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