
© Film.Ua/ Hide & Seek//ZDF und FILM.UA/ Hide & Seek
"Hide & Seek", made in Ukraine: Die Hölle in uns und in den anderen
ZDFNeo zeigt mit „Hide & Seek“ erste ukrainische Thrillerserie. Düster ist sie und doch transportiert sie die Botschaft: Aufgeben gilt nicht.
Stand:
Die Umstände dieser Serienproduktion sind wichtig. „Um die ukrainischen Kreativen zu unterstützen, hat sich ZDFNeo entschlossen, kurzfristig ,Hide & Seek‘ ins Programm zu nehmen“, heißt es in der Pressemappe. „Hide & Seek“ sei, so schreibt Nadine Bilke, heutige ZDF-Programmdirektorin, die erste osteuropäische Lizenzserie, die in diesem Programm Free-TV-Premiere feiere. ZDF Studios hat „Gefährliches Versteckspiel“, wie die ZDF-Übersetzung heißt, mit FilmUA Group koproduziert und erfolgreich in mehrere Märkte verkauft. Co-Produzentin Kateryna Vyshnevska sagt, mehr denn je sei es wichtig, „dass ukrainische Erzählungen so viele Menschen wie möglich erreichen, um den Erhalt des Kulturerbes der Ukraine zu ermöglichen“.
[Der tägliche Nachrichtenüberblick aus der Hauptstadt: Schon rund 57.000 Leser:innen informieren sich zweimal täglich mit unseren kompakten überregionalen Newslettern. Melden Sie sich jetzt kostenlos hier an.]
„Hide & Seek“ lief 2019 im ukrainischen Fernsehen, also lange bevor die russische Armee das Nachbarland überfallen hat. Aber unwillkürlich schaut man die acht Teile mit anderen Augen als irgendeine andere Serienproduktion aus einem anderen Land. Die Zuschauer sehen in die Ukraine hinein, für die meisten bestimmt Terra incognita. Story und Look präsentieren kein freundliches Bild von Land und Gesellschaft. In einem Industriestädtchen, dessen Kulisse das größte Atomkraftwerk Europas in Saporischschja bildet, muss ein Polizistenduo verschwundene Kinder suchen. Die Bilder sind meist zerschnitten von Stromtrassen, die Erde wirkt geschunden, die Menschen vermitteln keine Lebensfreude, düster, sehr düster ist die Optik.
[ „Hide & Seek“, ZDFNeo, Samstag, ab 22 Uhr, acht Folgen; ab 12. Juni in der ZDF-Mediathek]
Die Ermittlerin Varta Naumova (Yuliya Abdel Fattakh) und ihr Kollege Maksim Shumov (Pyotr Rykov) müssen die Kinder finden, von denen eines nach dem anderen verschwindet. Steckt vielleicht die „Kirche der unbefleckten Geburt“ hinter den Entführungen? Ihre Fahndung treibt die Polizistin und den Polizisten durch Unter- und Schattenwelten, die Serie verschont ihr Publikum nicht mit verstörenden bis schockierenden Bildern.
Unter all den Verlorenen und Abgeschriebenen fallen Varta und Maksim kaum auf. Beide haben in ihrem Leben, in ihrer Jugend traumatische Erfahrungen gemacht, weswegen sie der Fall auf einer tieferen Ebene berührt. Varta wurde als Studentin vergewaltigt und schwanger. Das Kind gab sie zur Adoption frei. Der Vater von Maksim macht seinen Sohn immer noch für den Tod des jüngeren Sohnes verantwortlich. Der Vater, ein früherer Polizeichef, säuft und sitzt im Rollstuhl. Autor Simor Glasenko zeigt Menschen in der Verzweiflung ihrer Existenz, Ausweg und Ausflucht scheinen verbaut zu sein, rau bis brutal gehen die Menschen miteinander um und dass sich die Korruption tief in Polizei und Justiz gefressen hat, taucht die Szenerie in ein noch beklemmenderes Licht. Regisseurin Iryna Gromozda versammelt ein Ensemble von zerschlagenen Menschen, fifty shades of gray.
Toughe Polizisten, in sich verlorene Menschen
Yuliya Abdel Fattakh und Pyotr Rykov facettieren ihre Figuren in toughe Polizisten und in sich verlorene Menschen. Da ist kein lautes Spiel, da sind Gesten von Haltlosigkeit und Gewaltbereitschaft, das Leben hat eine Frau und einen Mann heimgesucht, die sich nicht in den Griff bekommen – und vielleicht nie werden.
Ob „Hide & Seek“ pure Fiktion ist oder die Realität in der Ukraine abbildet, kann der Rezensent nicht sagen. Was er sagen kann: Das ist eine Thrillerserie, die hält, was eine ambitionierte Thrillerserie verspricht: Spannung und Rätselraten bis zum Schluss, Aufklärung darüber, warum Varta immer Handschuhe trägt, und das Aufatmen darüber, dass die Gerechtigkeit an der Zielmarke wartet.
Noir-Serie ohne Mystery-Touch
Natürlich sieht man „Hide & Seek“ aus einem anderen Blickwinkel, als man die Serie vor der russischen Invasion in die Ukraine gesehen hätte. Eine Noir-Serie ohne Mystery-Touch, kaum Weite im Kamerablick (Serhij Krutko), bläulich entfärbte Innenräume, postsowjetisch wirken Land und Menschen, die Automaten gleich durch ihr Leben wandeln. Nein, diese Genreserie macht keine Lust, in die Ukraine zu fahren.
Aber, und hier drängt sich die Aktualität ins Schauen: Aufgeben gilt nicht. Nicht in dieser Fiktion, nicht in dem belagerten, zerbombten Land, nicht bei diesen Menschen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: