„Focus“ schade mit seinem Verhalten in der BND-Affäre der eigenen Glaubwürdigkeit, findet Hans-Christian Ströbele, Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission. Er war einer der Teilnehmer einer Diskussion über den BND und die Journalisten, zu der der Deutsche Journalistenverband am Dienstag eingeladen hatte. Der Grünen-Politiker sagte, es könne nicht angehen, dass ausgerechnet jener Chefredakteur, der andauernd „Fakten, Fakten, Fakten“ predigt, verhindere, dass die Fakten offen auf den Tisch kommen. Damit sprach Ströbele die gerichtliche Verfügung an, die „Focus“-Redakteur Josef Hufelschulte, unterstützt durch Chefredakteur Helmut Markwort, erwirkt hatte, um seine Daten aus dem so genannten Schäfer-Bericht löschen zu lassen. Ströbele bekräftigte die harsche Kritik, die Hans Leyendecker von der „Süddeutschen“ nicht erst seit Beginn der BND-Affäre an „Focus“ übt. So hatte Leyendecker zuletzt wiederholt kritisiert, dass auffallend viele der Journalisten, die sich in den Dienst des BND gestellt hatten, für „Focus“ gearbeitet haben. Sätze wie „der 18. Januar 1993 (der Gründungstag von „Focus“, Anm. d. Red.) war kein guter Tag für die Presse“, konterte Markwort kürzlich mit der Aussage: „Der Herr Leyendecker, das ist ja wirklich ein eifersüchtiger Giftzwerg, der da alleine gegen uns rumstänkert.“
Es mutete wie Altherrengezänk an. Doch Leyendeckers Kritik ist grundsätzlicher und betrifft im Übrigen „Focus“ nicht allein. Als „arschzahm“ bezeichnete er etwa den „Spiegel“ bei der Aufarbeitung des BND-Skandals. Auch andere Medien hätten Beißhemmungen gezeigt, das Verhalten von Journalisten aufzuarbeiten, die gegen das oberste Gebot der Zunft verstoßen und Quellenverrat betrieben hätten. „Wann haben wir schon Gelegenheit, so über unseren Beruf zu diskutieren?“, fragte Leyendecker in die Runde. Auch der ausgespitzelte Andreas Förster von der „Berliner Zeitung“ wunderte sich, wie zahnlos der „Spiegel“ und andere Medien gewesen seien. Er vermutete, da wolle wohl „keiner den ersten Stein werfen“.
Erstaunlich fanden die Diskussionsteilnehmer, wie schnell die Berichterstattung zur BND-Affäre abgeebbt sei, obgleich noch so viele Fragen ungeklärt sind.
Liegt es daran, dass es zu wenige hartnäckige Journalisten gibt, wie Ströbele behauptet – oder daran, dass manche Themen einfach keine „Konjunktur“ haben, während „Unwichtiges aufgeblasen wird“, wie Förster meinte? „Wir bleiben oft nicht an Themen dran, um nicht zu langweilen“, beschrieb Leyendecker den Alltag. Dadurch würde vieles versäumt. Einstimmig appelliert wurde, die BND-Affäre als das zu begreifen, was sie sei: ein politischer Skandal, aber eben auch ein journalistischer, der das Misstrauen gegenüber den Medien vergrößert hat.