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Radio per Mausklick: Elektro und Einstein

Für Hirn und Ohren: Seit einem Jahr setzt der digitale Sender DRadio Wissen auf ein besonderes Programm. Vor allem junge Zuhörer sollen begeistert werden.

Es ist ein Experiment, das das Deutschlandradio vor knapp einem Jahr gewagt hat. Nicht wie üblich über UKW, sondern ausschließlich über Kabel, Satellit, DAB-fähige Radios oder das Internet kann der Sender empfangen werden, den das Deutschlandradio am 18. Januar 2010 startete: DRadio Wissen heißt er. Per Mausklick kann das Programm entweder als Livestream oder wie gehabt als lineares Programm gehört werden. Möglich ist aber auch, die verschiedenen Rubriken als non-lineares Podcast-Angebot abzurufen. So kann sich jeder Hörer sein eigenes Programm zusammenstellen.

Heute, ein Jahr später, zieht Deutschlandradio-Intendant Willi Steul eine positive Bilanz: „Das Konzept der Internetnutzung von DRadio Wissen hat sich überraschend schnell etabliert.“ Das Programm dreht sich um Themen aus den Bereichen Natur, Medien, Globus, Technikgeschichte oder Kultur. Zweimal stündlich gibt es dazu jeweils Welt- und Wissensnachrichten, gespielt wird ab und an aber auch elektronische Musik, denn die Zielgruppe von DRadio Wissen ist vor allem das junge Publikum.

Die ganze Bandbreite des crossmedialen Programms ist auf der Homepage wissen.dradio.de abzurufen. Die Website wurde bereits im Dezember mit der „Goldenen Biene“ der „Aktion Mensch“ und der „Stiftung Digitale Chancen“ ausgezeichnet – als beste barrierefreie Internetseite in der Kategorie „Tagesaktuelle Medien“. Eine Million Mal wird der Livestream auf der Homepage pro Monat etwa aufgerufen. Über die Podcast-Abrufe gibt es noch keine Zahlen. Doch allein die Podcast-Angebote der Schwesterprogramme von Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur konnten in diesem Jahr zusammen 120 Millionen Abrufe verzeichnen – und damit 70 Millionen mehr als im Vorjahr.

Ein Ersatz für reguläres Programm sei der Podcast zwar nicht, sagt Intendant Steul: „Ein lineares Live-Programm mit Moderatoren wird immer das Standbein von Radio bleiben.“ Doch die Nachfrage nach non-linearen Angeboten, die jederzeit flexibel heruntergeladen werden können, nehme immer weiter zu. „Unsere Erwartungen wurden bei Weitem übertroffen“, erklärt Dietmar Timm, Leiter von DRadio Wissen. Diese Entwicklung ist damit der von Online-Mediatheken bei Fernsehsendern vergleichbar. Auch hier nutzen immer mehr Zuschauer die Download-Funktionen von Video- und Audiobeiträgen. Nach Ansicht Steuls ist das digitale DRadio Wissen in seiner Machart durchaus ein Gradmesser dafür, wie „Rundfunk in zehn Jahren“ aussehen könnte.

Um Rückschlüsse für die anderen beiden Sender des Deutschlandradios ziehen zu können, wurde im ersten Jahr besonders auf die Resonanz der Hörer geachtet. Die Nutzer sollten bei Sendungen wie der live übertragenen Redaktionskonferenz mitmachen, indem sie Kommentare und Anregungen hinterlassen. „Gleich zu Beginn haben wir die Anregung unserer Hörer umgesetzt, statt drei- bis vierminütiger, längere Beiträge zu produzieren. Heute haben wir eine Länge von sieben bis acht Minuten“, sagt Timm.

Besonders beliebt sei die Sendung „Hörsaal“, bei der man wissenschaftlichen Vorträgen von Nobelpreisträgern lauschen könne, so Timm. Diese Art der Wiederaufnahme einer „Funkuniversität“, die es einst bei Rias (Rundfunk im amerikanischen Sektor) gab, kann live gehört oder als Podcast heruntergeladen werden. Kooperationspartner sind dabei beispielsweise die Humboldt-Universität Berlin, das Einstein-Forum und Leibniz-Forum oder die Deutsche Forschungsgesellschaft. Die Vorträge der Nobelpreisträger entstammen dem Archiv des Kuratoriums für die Tagungen der Nobelpreisträger in Lindau.

Ein gebührenfinanzierter Spartensender für Akademiker will DRadio Wissen aber nicht sein. Ralf Müller-Schmid, Leiter des Kölner Studios, meint: „Unser Programm spricht zwar besonders Studenten an, unser öffentlich-rechtlicher Auftrag ist es aber, anspruchsvolle Inhalte für alle potenziellen Nutzer zu produzieren.“ Medienpsychologe Jo Groebel sieht gerade durch den Wissens-Sender den öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag erfüllt: „Es gibt in Deutschland kein vergleichbares Programm. Statt bei DRadio Wissen müsste man sich bei anderen Formaten viel eher fragen, „ob Gebühren sinnvoll eingesetzt werden.“ Groebel sieht den Sender als „bestmögliche Umsetzung von Radio“, mit der öffentlich-rechtliche Programme gerade für die Jugend wieder attraktiv würden und somit zukunftsfähig blieben.

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