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Medien: Fakten als Waffe

Wie „OpInfo“, die Medientruppe der Bundeswehr, die Auslandseinsätze unterstützt

Die „Stimme der Freiheit“ erhebt sich aus einem mit Tarnfarbe gestrichenen Stahlkasten, so geräumig wie ein vollgestopfter Umzugscontainer. Der Kasten steht im gelben Staub inmitten des Lagers der Bundeswehr in Kabul. „Mobile Sendeeinheit“ heißt das Ding. Zwei deutsche Soldaten machen darin Radio für die Afghanen in Kabul; weiter reichen die Ultrakurzwellen nicht. Die „Stimme der Freiheit“ sendet 21 Stunden täglich Musik, und drei Stunden Nachrichten aus Kabul, Afghanistan und der Welt, halb auf Paschdu, halb auf Dari. Und einmal in der Woche können Afghanen ihre Verwandten grüßen.

Die „Stimme der Freiheit" funkt seit dem Frühherbst und ist damit das neueste Produkt des Zentrums „Operative Information“ der Bundeswehr, der Medientruppe „OpInfo“. Sie kämpft mit Zeitungen, Radiosendungen, Flugblättern und Lautsprecherdurchsagen. Es geht um die Gunst „gegnerischer Streitkräfte, Sicherheitsorgane und Konfliktparteien“, aber auch der Bevölkerung im jeweiligen Einsatzgebiet, „um Vertrauen und Unterstützung für den eigenen Auftrag“ zu erreichen. Seitdem die Bundeswehr international im Einsatz ist, wächst die Bedeutung der Info-Truppe. Frieden schafft man nicht nur mit Waffen, lautet die Erkenntnis der Bundeswehrführung. Von derzeit 600 Soldaten soll die Einheit auf 1200 aufgestockt werden.

Mit Begriffen wie „Psychologische Kriegsführung“ oder „Propaganda“ darf man den Soldaten nicht kommen im Eifelort Mayen, dem Sitz der OpInfo-Truppe. „Wir machen politische Bildung, es geht um wahre, objektive Fakten“, sagt Oberst Hans-Jochen Annuß, der Kommandeur.

Soldaten wie Holger Weitzel sollen die Fakten vermitteln. Der Hauptmann ist Redaktionsleiter von „Dritarja“ („Fenster“), dem albanischsprachigen Magazin der KFOR in Prizren, Kosovo. Alle 14 Tage werden 20 000 Exemplare kostenlos verteilt. Hochglanz, Farbe, 16 Seiten. Das Pendant auf Serbisch heißt „Prozor“, 2000 Exemplare werden gedruckt, seit 1999 sind die Zeitungen auf dem Markt. Sie zeigen, wie OpInfo arbeitet.

Redaktionsleiter Weitzel sitzt mit fünf Kollegen in einem Bürocontainer in Mayen. Zwei Offiziere sind als Reporter in Prizren stationiert, durchstreifen das Kosovo in Uniform und mit der Pistole im Halfter. Die Übersetzerin in Mayen ist das einzige ausländische Mitglied im albanischen Schriftstellerverband.

„Wir sind in erster Linie Soldaten, erst dann Journalisten“, sagt Weitzel. Sie alle aber schätzen die Vorteile ihrer Arbeit gegenüber dem langweiligen Wacheschieben. Recherchieren, Schreiben und Layouten bringen sie sich überwiegend selbst bei. Viele rechnen sich eine Journalisten-Karreire nach der Bundeswehr aus. Der Frauenanteil liegt in der OpInfo-Truppe bei fünf Prozent.

Die Ansprüche sind hoch. „Wir wollen die 18- bis 30-Jährigen erreichen“, sagt Weitzel, „denn die wollen sich eine Existenz aufbauen und in Urlaub fahren, die saßen im Krieg nicht in den dicken Positionen“. Der Hauptmann möchte, dass die Leute friedlich bleiben. Er muss sie davon überzeugen, dass sich das lohnt. Mit plumper Agitation komme er da nicht weiter: „Wir müssen positive Aspekte herausstellen.“ Deshalb berichten seine Soldaten über Ausgrabungen junger Archäologen im Kosovo, über ein Friedenscamp in Mitrovica. Sie informieren über Billig-Airlines, den Euro, Computerviren. Konflikte werden nicht ausgespart, etwa wenn es um die Lage der Behinderten im Kosovo geht, doch der Ton ist durchgängig versöhnlich.

„Politik wollen die Leute eigentlich nicht“, hat Redaktionsleiter Weitzel festgestellt. Eine Geschichte über Menschenhandel im Kosovo erscheint trotzdem. Konflikte nehmen die schreibenden Soldaten in diesem Fall in Kauf, ihr Status als KFOR-Vertreter bietet Schutz. Doch die Grenze zur Provokation wollen sie in ihrer Arbeit nicht einreißen. Eine Geschichte über die Tankstellenmafia landete deshalb im Papierkorb.

Auf der Suche nach der Wahrheit, der sie sich ausdrücklich verpflichtet fühlen, entpuppt sich das Kosovo für die OpInfo-Redakteure schnell als vermintes Gelände. Bis vor einem Jahr arbeiteten sie mit einheimischen Reportern zusammen. Dann wurde klar, wie einseitig diese oft recherchierten. Die Zusammenarbeit wurde daraufhin beendet.

Es fällt schwer, Gut und Böse in dem fremden Land voneinander zu unterscheiden. Bei einer positiven Reportage über einen gemeinnützigen Schneeräumtrupp aus ehemaligen UCK-Kämpfern stellte sich im letzten Moment heraus, dass der Held der Geschichte ein Verbrecher war. Er wurde wegen Mordes und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verhaftet, zum Glück vor Erscheinen des Artikels.

Derartige Recherchefehler können sich OpInfo-Journalisten nicht erlauben, egal ob in Kabul oder im Kosovo. Wenn sie Falschmeldungen verbreiten, wird ihnen das als Parteinahme für eine der Konfliktparteien ausgelegt. Das gefährdet den Einsatz der gesamten Friedenstruppe. „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“, meint OpInfo-Kommandeur Annuß, „so einfach ist das.“

Die „Dritarja“-Redaktion hingegen hat mit kleinen Lügen großen Erfolg. Seitdem sie auf der letzten Seite ein selbst verfasstes Horoskop abdruckt, findet ihr Heft reißenden Absatz. Statt 20 000 würden sie am liebsten 35 000 Exemplare verteilen. Der Finanzierungsantrag läuft.

Christian Sywottek

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