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Arte über den US-Rockstar: Forever Neil Young
Eine Arte-Dokumentation zeigt den US-Musiker als widersprüchliche Persönlichkeit zwischen Patriotismus und Aktivismus.
Stand:
Am vierten Mai 1970 erschoss die Nationalgarde an der Kent State University vier Studenten, die gegen den Vietnamkrieg protestierten. Das Fanal inspirierte den 25-jährigen Neil Young zu dem Song „Ohio“, der zur pazifistischen Hymne der amerikanischen Gegenkultur avancierte.
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Im Jahr 2014 steht die Rocklegende noch immer im Rampenlicht. Tausende von Zuhörern versammelte er in einem Maisfeld. Der populäre Folksänger kritisierte den umweltschädlichen Ölsandabbau, der die Rechte der amerikanischen Ureinwohner verletzt.
Vom Protestsänger zum Öko-Aktivisten – offenbar verlief Neil Youngs Karriere geradlinig und vorhersehbar. Doch der Schein trügt. In seinem Porträt blickt Thomas Boujut auch auf unbekannte Seiten des eigenwilligen Unternehmers und Soundkünstlers.
[„Neil Young – Songwriter ohne Kompromisse“, Arte, Freitag, 21 Uhr 45]
Der aus der kanadischen Mittelschicht stammende Musiker ist so ziemlich das Gegenteil eines glamourösen Rockstars. Er ist bodenständig, liebt das Landleben und tritt im Holzfällerhemd auf. Schmerzen, die er seit einer Erkrankung an Kinderlähmung im sechsten Lebensjahr erleiden muss, hinterließen Spuren. Später erkrankten zwei seiner Söhne an Zerebralparese. Das Leiden verstärkte seine Empathie für die Probleme anderer.
So zählte er 1985 zu den Mitinitiatoren von Farm Aid, einem inzwischen seit 35 Jahren stattfindenden Wohltätigkeitskonzert. Young unterstützt Familienbetriebe, deren Farmen nach Kürzungen der Agrarsubventionen in ihrer Existenz bedroht wurden. Thematisch anknüpfend nahm er später ein Konzeptalbum auf, mit dem er die Abhängigkeit der Bauern von dem Saatgut-Riesen Monsanto anprangerte.
Engagement für Farmer
Mit diesem Engagement für Farmer, in denen er die „wahren Amerikaner“ sah, positionierte Neil Young sich als Patriot. Der Sänger steht für amerikanische Werte ein. Seine Unterstützung des Republikaners Ronald Reagan nahmen ihm viele Linke übel. Härter ins Gericht ging Young mit späteren Präsidenten. Mit dem Protestsong „Let’s impeach the president“ forderte er 2007 George W. Bush zum Rücktritt auf. Gegen Donald Trump zog er vor Gericht, weil dieser auf Wahlveranstaltungen gegen Youngs Willen dessen Hymne „Rockin’ In The Free World“ spielte.
Gern verschwiegen wird, dass Neil Young sich 1979 nach dem Reaktorunfall in Three Miles Island nicht der Anti-Atom-Bewegung anschloss. Sondern im Gegenteil betonte: „Ich finde Kernkraft gut“. Diese Widersprüchlichkeit, so verdeutlicht der Film, ist eine Quelle seiner Kreativität. Immer wieder legte der Rebell sich mit den Mächtigen an. In den 80ern boykottierte MTV ein Video, mit dem Young den üppigen Kommerz des Werbegeschäfts ironisierte.
Flop mit "Trans"
Sein Dickschädel stand ihm zuweilen im Weg. Das Techno-Album „Trans“, mit dem er sich 1983 an „Kraftwerk“ orientierte, flopte. Erfolglos blieb auch sein ambitioniertes Projekt PonoMusic. Als HiFi-Enthusiast wollte Young der bescheidenen Klangqualität von Audio-Streaminganbietern eine hochwertige Alternative entgegensetzen: „Es geht darum, dass Ihr hört, was wir im Studio hören“, erklärte er. Neil Young wurde nicht erhört.
Entmutigen ließ er sich durch solche Misserfolge nicht. 2015 brachte ihn seine uramerikanische Vorliebe für spritfressende Luxuskarossen ins Grübeln. Also ließ er seine seinen Lincoln Continental zu einem Hippie-Tesla umrüsten, dessen Batterien von einem Biodiesel-Aggregat gespeist werden.
Krach mit Spotity
In seinen Off-Kommentaren trägt Thomas Boujut zuweilen etwas dick auf. Dennoch gelingt ihm das sehenswerte Porträt eines inzwischen 76-jährigen Künstlers, der es sich nie leicht machte, sich dabei aber treu blieb: Aus Protest gegen Podcasts, die Falschinformationen zu Corona verbreiteten, legte er sich zuletzt mit dem Streaminganbieter Spotify an.
Manfred Riepe
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