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Webserie von Christian Ulmen: Große Liebe in drei Minuten

Der Bayerische Rundfunk will Großstadtsingles mit einer neuen Webserie an sich binden. Hinter dem Projekt "Mann/Frau" steht Christian Ulmen.

Wer könnte da widerstehen? „Wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender aus freien Stücken zu dir kommt und sagt, wir möchten, dass ihr eine Serie mit uns macht, die im Internet funktioniert und fürs Web konzipiert ist, dann macht man das. Einfach weil der BR dahintersteht und es die erste derartige Serie ist.“ Sagt Christian Ulmen, der mit seiner Produktionsfirma Ulmen Television GmbH gerade die Webserie „Mann/Frau“ für den BR geschaffen hat. Das sind 20 Folgen, die in jeweils drei Minuten das Leben zweier Großstadtsingles schildern.

Beide Anfang 30, leicht verplant und auf der Suche nach der Liebe. Dafür engagierte man zwei unverbrauchte Gesichter: Mirko Lang und Lore Richter überzeugten in einem Casting, das sich bei ihm darin erschöpfte, „ein Gesicht zu ziehen, wie wenn ich schwarzfahre und der Kontrolleur naht“. Sie sollte zeigen, „wie schnell und deutlich ich den Text lese. Außerdem sollte ich eine französische Schauspielerin mimen“. Lang und Richter stehen für eine ganze Generation neurotischer Großstadtsingles, die „Mann/Frau“ begeistern soll: Mit den ersten vier Abenteuern im Netz, ab Freitag mit zwei nächtlichen Folgen im BR-Fernsehen. „Die Leute, die wir ansprechen wollen, sind dann wahrscheinlich schon auf Party“, fürchtet Lang, selbst Vater von zwei Kindern, „aber das ist erst mal ans Web angelehnt. Wahrscheinlich ist es mit so einem Format schwierig, eine gescheite Sendezeit zu finden.“

Im Gegensatz zu anderen Serien muss sich Lang keine Sorgen um die Quote machen. BR-Fernsehdirektorin Bettina Reitz mag die kurzen Stücke und findet „3000 Klicks kurz nach dem Start nicht schlecht“. Sie lobt den Produzenten Christian Ulmen, „der sich nicht auf seinem Status als Moderator und Schauspieler ausruht, sondern auch noch eine Produktionsfirma gründet und über eine Expertise verfügt, die andere so noch nicht haben.“ Reitz hat das junge Publikum mit veränderten Sehgewohnheiten im Blick. „Wir müssen bei der Jugend Vertrauen herstellen, für viele sind wir ja eine Art Oma- und Opa-Fernsehen. Jedenfalls finden sie ihre Themen nicht im öffentlich-rechtlichen System.“ In dem Zusammenhang verweist Reitz auf den Blog „Woran glauben“, aus dem eine Dokumentarreihe werden soll. Ebenso wie der Blog „Mit leichtem Gepäck“, den zwei Studenten auf Weltreise füttern und der auch das Dokuprogramm bereichern wird. Werden dort spezielle Interessensgruppen angesprochen, verspricht man sich von der Thematik Mann/Frau größtmögliche Resonanz – schließlich arbeite man „mit einer gewissen Sorgfalt“: Als BR könne man nicht Trash machen.

Die Drehbücher stammen vom Geschwisterpaar Buchholz

Gedreht wurden die 20 Folgen von zwei Teams nach den Drehbüchern des Geschwisterpaares Jana und Johann Buchholz. Beide führten auch Regie. Sie für das „Frau“-Team, er für das „Mann“-Team. „Die Frauen haben sorgfältiger ausgeleuchtet, wir mehr mit der Handkamera agiert“, sagt Johann Buchholz. Formal orientiert er sich am Film „Trainspotting“. „Dieses immer schnellere Reden zeichnet auch unsere Helden aus.“ Das Ergebnis ist ein Surrogat, das die alten Fragen der Menschheit verdichtet: „Wir wollen einen Zehn-Minuten-Inhalt in drei Minuten erzählen.“ Die Inhalte der Folgen, die „Filmriss“, „Hardcore Single“ oder „Die Ex“ heißen, lassen sich im Presseheft in sechs Zeilen erzählen. Dass man nebenbei noch eine Anleitung bekommt, wie man die Freundin bei nächtlichen Alleingängen per Facebook und Handy überwacht, sei dankbar erwähnt.

BR-Ressortleiterin Annette Siebenbürger hat „beim Anschauen im Kollegen- und Freundeskreis festgestellt, dass die Frauen über Situationen lachen, die die Männer gar nicht komisch finden. Und umgekehrt.“ Das kann auch daran liegen, dass Autor Johann Buchholz gerade ein ähnliches Format für Arte fertigstellt, das dort im Herbst ausgestrahlt werden soll. Für Christian Ulmen ist die Serie echtes Familienbusiness. Er spielt einen Barkeeper, seine Frau Collien Ulmen-Fernandez die beste Freundin von Lore Richter. Der einstige MTV-Moderator formuliert streng die Kriterien: „Erfolg heißt für mich, wenn ich es mir anschaue und es genauso geworden ist, wie man sich das vorstellt, natürlich misst sich das auch in Klicks und Reaktionen.“

Eine Fortsetzung darf jetzt schon als beschlossene Sache gelten. ZDFneo hat gerade „Blockbustaz“ mit dem Rapper Eko Fresh in Serie gehen lässt. Zaghafte, aber nötige Versuche, verlorenes Klientel wieder ans öffentlich-rechtliche Fernsehen zu binden.

http://blog.br.de/mannfrau. Und im BR-Fernsehen am Freitag, 23 Uhr 25.

Jörg Seewald

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