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Rückhalt in prekärer Lage. Im Drama „Das Versprechen“ (ZDF, 20.15 Uhr) ist Bendix (Mika Tritto) von der depressiven Erkrankung seines Vaters überfordert. Jule (Ella Morgen) ist der erste Mensch, dem sich der Junge anvertraut.

© ZDF und Stefan Erhard

Hubertus Meyer-Burckhardt im Interview: „Entscheidend ist, dass ein Film dich berührt“

Mit dem Drama „Das Versprechen“ am Montagabend im ZDF verabschiedet sich Hubertus Meyer-Burckhardt vom Produzentenberuf. Ein Bilanz-Gespräch.

Viele kennen Hubertus Meyer-Burckhardt als Talkshow-Gastgeber an der Seite von Barbara Schöneberger. Dabei zählt der Ex-Vorstand von Pro7Sat1 und Axel Springer zu den wichtigsten Fernsehproduzenten im Land. 25 Jahre nach seinem Filmdebüt und vier seit einer Krebsdiagnose, zeigt das ZDF mit dem Depressionsdrama „Das Versprechen“ nun den letzten Film, den er produziert hat. So war es zumindest geplant. Aber auch mit 65 mag sich Meyer-Burckhardt noch nicht von der Filmbranche verabschieden.

Herr Meyer-Burckhardt, Ihr Kollege Richard D. Zanuck hat Produzenten mit Dirigenten verglichen. Leiten Sie ein Orchester?
Weil mich seit jeher die Schnittstellen von Kreativität, Organisation und Management interessieren, wäre ich womöglich ein passabler Theaterintendant oder Galerist geworden, aber Dirigent? Ich weiß nicht.

Auch der bringt das Werk anderer zur Vollendung.
Aber praktisch jeder Film von mir ging auf eigene Ideen zurück. „Das Versprechen“ beruht auf einem psychiatrischen Erlebnis in der erweiterten Familie.

 Hubertus Meyer-Burckhardt, 64, begann seine Karriere am Theater. Er studierte an der Münchner Filmhochschule, ist seit 1996 Produzent und moderiert die NDR-Talkshow
Hubertus Meyer-Burckhardt, 64, begann seine Karriere am Theater. Er studierte an der Münchner Filmhochschule, ist seit 1996 Produzent und moderiert die NDR-Talkshow

© NDR/Uwe Ernst

Es geht um einen alleinerziehenden Vater mit Depressionen. Meinen Sie, so etwas reicht für die erwünschte Einschaltquote auf diesem Sendeplatz?
Es ist nicht der Anspruch, dem Markt gerecht zu werden. Entscheidend ist, dass der Film berührt und dem Thema gerecht wird, ohne dabei ständig auf die Quote zu schielen.

Aber am Ende müssen ZDF-Filme auf dem Sendeplatz doch ihr Publikum erreichen.
Wenn öffentlich-rechtliche Sender Programm für die Nische machen, heißt es, so viel Gebühr für so wenig Quote, wenn sie Programm für die Masse machen, heißt es, so viel Gebühr für so wenig Güte. Natürlich will ich viele erreichen, aber das darf nie der erste Impuls sein. Zumal sich Erfolg selten im Voraus berechnen lässt. Schön wär’s.

Kennen Sie die Zahl Ihrer Filme?
Wenn Serienepisoden nicht einzeln zählen, rund 25. Als ich in den Vorständen von Springer und ProSiebenSat1 saß, war ich allerdings auch sechs Jahre mit anderen Dingen beschäftigt.

Bei welchem Filmen ist es Ihnen am besten gelungen, künstlerische mit betriebswirtschaftlicher Vision in Einklang zu bringen?
Wenn ich fürs richtige Thema das richtige Buch mit dem richtigen Team und genügend Geld zusammengekriegt habe, also eigentlich immer mit Oliver Hirschbiegel, ob nun „Mein letzter Film“ mit Hannelore Elsner oder mit Ben Becker als „Ein ganz gewöhnlicher Jude“. Da kommen wir wieder auf den Dirigenten-Vergleich zurück.

Inwiefern?
Als ich vor Urzeiten in Düsseldorf gearbeitet habe, befand sich meine Wohnung eine Zeit lang überm Wochenmarkt. Da fiel mir auf, dass die Leute aus denselben Zutaten vom Sternemenü übers WG-Essen bis zur Hausmannskost alles Mögliche zubereiten, das den einen schmeckt, den anderen nicht. So wie aus 26 Buchstaben mal Welt-, mal Schundliteratur entsteht, fließen auch in Filme so viele Faktoren, dass ihr Resultat unberechenbar bleibt. Produzenten sind also keine Dirigenten, sondern Köche. Alles eine Frage von Rezept, Zutaten, Zubereitung.

Ende der Achtziger haben Sie Werbung gemacht. Hat Ihnen das dabei geholfen, die Gerichte beim Film leckerer zu machen?
Ich hatte nicht das Glück, Kind reicher Eltern zu sein und Auslandsreisen zu machen. Als ich von der Filmhochschule kam, waren RTL und Sat1 noch zu klein, um dort etwas unterzukriegen, und die Produzentenlandschaft, die für ARD und ZDF arbeitete, war festgefügt. Um rumzukommen, habe ich fast alle Werbespots im Ausland gedreht. Da habe ich viel gelernt.

Aber sicher auch Kritik geerntet. Werbung hatte einen schlechten Ruf.
Stimmt. Während sie in England, Frankreich, USA hochangesehen war, stand sie hierzulande noch lange unter Propagandaverdacht. Ich erinnere mich, was Dorothee Schön – inzwischen Schöpferin der Serie „Charité“ – mit der ich meinen Abschlussfilm drehte, meinte, als ich ihr davon erzählte. Die war entsetzt! Umso dankbarer war die Düsseldorfer Werbeagentur, als der Absolvent einer renommierten Hochschule für Fernsehen und Film vorstellig wurde. Ich wurde von Anfang an großzügig bezahlt.

Haben Sie auch ästhetisch etwas von der Werbung ins Filmgeschäft eingebracht?
Die Fähigkeit, Botschaften in 30 Sekunden zu vermitteln und Alleinstellungsmerkmale sichtbar zu machen. Zudem hatte ich vor der Rückkehr ins Filmgeschäft viele Independent-Filme anderer Kulturkreise gesehen und Auslandskontakte geknüpft, die andere nicht hatten. Für einen Kerl Anfang 30 war das absolut unüblich. Wer sich heute bei der Hamburg Media School bewirbt, hat mindestens ein Praktikum in Südkorea absolviert und seinen Youtube-Kanal.

Sie selbst sind auch seit jeher nicht nur hinter, sondern auch vor der Kamera präsent.
Wobei 90 Prozent derer, die mich aus der NDR-Talkshow kennen, vermutlich keine Ahnung haben, dass ich Filme mache; die halten mich bestenfalls für einen Moderator, der ab und zu produziert. Dabei bin ich ein Produzent, der ab und zu moderiert. Ich bezeichne mich auch ungern als Moderator. Gastgeber gefällt mir besser. Aber warum mache ich das alles?

Ja, warum?
Aus den Erfahrungen meiner Kindheit in einer Flüchtlingsfamilie. Als mein Vater pleiteging und verschwand, hatten wir kein Geld mehr. Keins! Mit zwölf schwor ich mir, nie abhängig zu sein. Dafür habe ich so viele Standbeine ohne Festanstellung wie möglich geschaffen. Das steckt mir in der DNA wie fehlendes Schollendenken. Ich bin zwar bodenständig, aber nicht verwurzelt.

Fällt es schwer, mit „Das Versprechen“ Ihre Produzentenkarriere zu beenden?
So schwer, dass ich die Ankündigung schon wieder aufweiche. Wahrscheinlich ist „Das Versprechen“ mein letzter Film, es gären aber schon wieder zwei Stoffe in mir, von denen ich allerdings nicht ansatzweise weiß, ob daraus mal was wird. Die Katze lässt das Mausen nicht.

Müssen Sie wegen Ihrer Krebserkrankung kürzertreten?
Ich habe das Tempo reduziert – auch weil meine Frau sich das gewünscht hat. Aber das, was ich machen darf, mache ich mit großer Freude. Ich versuche, ein bisschen besser auf mich aufzupassen.

Und gelingt es Ihnen?
Ja, denn ich führe keine Firma mehr, bin nirgendwo Geschäftsführer, Aufsichtsrat, Vorstand, Professor und mache nur noch Dinge, die mir echt Spaß bereiten. Beruflich wie privat erlebe ich deshalb die schönste Zeit meines Lebens.

Jan Freitag

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