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Viel beschäftigt. Schauspielerin Felicitas Woll beispielsweise hat 2015 vier Filme gedreht (hier mit Renato Schuch in „Weil ich dich liebe“, 20 Uhr 15, Dienstag auf Sat 1).

© SAT.1/Joao Tuna/dpa

Schauspieler-Casting: Immer die gleichen Gesichter im TV

Die TV-Branche ist im Umbruch: Die veränderten Sehgewohnheiten wirken sich auf die Besetzung der Schauspieler aus.

Ist die deutsche TV-Landschaft schauspielerisch eine Monokultur? Die immer gleichen Schauspieler an den immer gleichen Sendeplätzen? Eine Auswertung der zwanzig bei den Zuschauern erfolgreichsten Filme 2015 abseits etablierter Reihen wie „Tatort“ und „Polizeiruf 110“ ist zumindest kein Zeugnis großen Wagemuts. Mehrfachnennungen bei Jan Josef Liefers, Heiner Lauterbach, Nadja Uhl, Anja Kling, Hinnerk Schönemann, Julia Koschitz in Filmen wie „Tod eines Mädchens“, „Tannbach“, „Tiefe Wunden“ oder „Tief durchatmen, die Familie kommt“ präsentieren erfahrenes TV-Personal, das meist bei den sogenannten großen Agenturen unter Vertrag steht.

„Die Zeiten sind hart geworden“, sagt Sibylle Flöter, Vorsitzende des Verbands der Agenturen für Film, Fernsehen und Theater. Tatsächlich sei der Kuchen für alle kleiner geworden. „Seit RTL und Sat 1 sich weitgehend aus der Produktion von Filmen und Reihen zurückgezogen haben, findet tatsächlich eine Konzentration auf große Namen statt, und natürlich hat eine Agentur, die gefragte Schauspieler im Portfolio hat, mehr Einfluss als eine, deren Schauspieler nicht so prominent sind. Das sind die Gesetze des Marktes.“

Bekannte Schauspieler wollen alle haben

Flöter versteht den Unmut der kleineren Agenturen: „Viele Agenten leisten tolle Aufbauarbeit. Dass die dann sauer sind, wenn ihre Schützlinge in eine größere Agentur abwandern, kann man verstehen.“ Es gelte die knallharte Faustregel in der Branche: „Es kommt nicht darauf an, was ich kann, sondern welche Namen ich vertrete. Das ist für Agenten frustrierend.“ Zu den goldenen Zeiten seien die Chancen für Newcomer wesentlich größer gewesen. „Wenn es heute ein Schauspieler schafft wahrgenommen zu werden, dann setzt ein Automatismus ein, dass ab jetzt ihn alle haben wollen“, fasst Sibylle Flöter die Erfahrungen ihres Agentenlebens, das aktiv im Herbst 2015 endete, zusammen.

Flöter treibt wie viele in der Branche die Sorge vor einer Wachablösung der bisherigen senderfinanzierten Strukturen um. „Die Sehgewohnheiten verändern sich. Niemand weiß doch genau, was das Auftauchen ganz neuer Verwertungsformen für die Fernsehbranche bedeutet. Wir leben in einer Umbruchzeit, die jeden Agenten verunsichert. Es herrscht teilweise Nervosität und Hysterie.“

Wenig Beachtung fand bisher die Rolle der Casting-Direktoren in Deutschland. „Wir bekommen die Bücher schon auf den Tisch, da wissen die Agenturen noch gar nicht, dass es das Projekt gibt. Wir machen dann Vorschläge, wer welche Rolle spielen könnte“, sagt Gitta Uhlig, eine der erfahrensten und erfolgreichsten Casterinnen Deutschlands. Bei der weiteren Arbeit trenne sich dann die Spreu vom Weizen: „Es gibt Agenturen, die unaufmerksam sind und nicht einmal wissen, wo sich ihr Schauspieler positionieren will.“ Montagsfilme im ZDF seien bei den meisten Schauspielern ja beliebter als die ZDF-Sonntagsfilme. „Aber wenn ich diese Präferenz eines Schauspielers erst in einem späten Stadium des Projekts erfahre, ist das furchtbar.“

"Immer die gleiche Leier"

Uhligs Kollege Clemens Erbach findet das Problem der Film-Besetzung grundsätzlich „zu komplex, um es in wenigen Zeilen hinreichend zu erklären.“ Er könne die Leier von den wenigen Schauspielern, die anderen die Rollen wegnähmen, eigentlich nicht mehr hören. Vielleicht seien manche Schauspieler einfach wirklich besser als andere, provoziert Erbach und natürlich würde er bestimmte Schauspieler, von denen er besonders überzeugt sei, häufiger anfragen als andere. „Das hat aber dann ausschließlich mit deren Qualität zu tun“.

Clemens Erbach beschäftigt die Frage nach der Henne und dem Ei: „Ist eine Agentur erfolgreich, weil sie gute Schauspieler hat, oder kommen gute Schauspieler zu guten Agenten?“ Letztlich müssten sie die Fantasie der Caster beflügeln. „Wir moderieren die Vorstellung.“ Ein Drehbuch liefere zunächst „leere Hüllen“, die in enger Abstimmung mit Regisseuren, Produzenten und Redakteuren mit Gesichtern und Leben gefüllt werden müssten.

Einen Superstar wie Veronica Ferres bekommt man bei der Münchner Agentur Scenario. Lars Eidinger wird durch die Agentur Schneider vertreten, Anneke Kim Sarnau und Charlie Hübner lassen die Agentur Imdahl verhandeln und Hannah Herzsprung und Rosalie Thomas die Agentur Contract. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen mit der Berliner Agentur Schlag (Andrea Sawatzki, Caroline Peters), dem Schwergewicht Barbarella mit Matthias Brandt oder der Nachwuchs-Agentur Schwarz (Mala Emde, Kai Malina). Doch die Probleme der weniger bekannten Schauspieler werden damit nicht gelöst.

Jörg Seewald

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