
© ZDF und Kai Oberhäuser
Sabine Heinrich im ZDF: In der Hirschhausen-Phalanx
Wenn Sabine Heinrich „Das große Deutschland-Quiz“ im ZDF leitet, mag die Show banal sein, nicht aber ihr emanzipatives Signal – hofft die Moderatorin.
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Deutschland ist schön, seine Landschaften typisch, die Bauwerke weltberühmt: wer Ende der Achtziger ferngesehen hat, kam an diesem Reklamedreiklang des heimatlichen Wohlbehagens kaum vorbei. Lange her. Einen Dreiklang weltumspannender Krisen aus Kriegen, Klimakollaps, kapitalistischer Disruption zum Beispiel, der seit den Wonnemonaten der Wende sogar die gepflegte Gastlichkeit und den Stolz auf unsere Spezialitäten trübt, wie die berühmte Weizenwerbung noch schwärmt.
Zeit also fürs ZDF, das die raue Wirklichkeit vorm Wohnstubenfenster ohnehin gern mit süffigem Eskapismus aussperrt, eine Samstagabendshow für Weißbierfans von damals zu starten. Sie heißt „Das große Deutschland-Quiz“, lädt vier Prominente aller Himmelsrichtungen zum Wettraten um regionale Besonderheiten und klingt im Titel so bieder, als wäre die Republik ein Trachtenfest.
Also, Sabine Heinrich – Wohlfühlpatriotismus für die Massen? „Puh“, sagt die Moderatorin und atmet hörbar aus. Schließlich ist ihr der Begriff nicht nur zu aufgeladen, sie kehrt auch gerade vom WDR2 heim, wo sie das „Morgenmagazin“ moderiert.
Abends Fußball-EM, einschlafen halb zwölf, aufstehen um drei, Abfahrt um vier, Antritt um fünf, Abgang um neun und jetzt soll sie auch noch solche Fragen über ihren Weg zum Olymp des massentauglichen TV-Entertainments beantworten? „Das muss ich jetzt erst mal sacken lassen.“
Ganz kurz nur allerdings, dann ist Sabine Heinrich voll bei der Sache mit dem Wohlfühlpatriotismus, lässt sich Zeit beim Antworten, bleibt ernst, aber fröhlich. Eine Quizshow sei ja kein politisches Talkformat, also „nicht das richtige Medium für Debatten“, denn: „Wir machen eine Unterhaltungssendung, gucken uns dabei verschiedene Regionen in ihrer Vielfalt an“. Und keine Sorge, fügt sie hinzu: „Bei uns können auch raue Ecken schön sein“. („Das große Deutschland-Quiz“, ZDF, Samstag, 19 Uhr 25)
Bei uns? Aus weiblicher Sicht lag das Hochamt der Wochenendgestaltung von „Einer wird gewinnen“ über „Auf los geht’s los“ bis „Wetten, dass…?“ bislang meist „bei denen“ – Patriarchen wie Kulenkampff, Fuchsberger, Gottschalk.
Als Role Model sieht sie sich da zwar nicht
Dass Sabine Heinrich nun in deren Residenz zieht, ist da trotz regionaler WDR-Formate, etwa „Nicht dein Ernst!“ mit Jürgen von der Lippe oder „Frau TV“ ungewöhnlich. Bundesweit kennen sie schließlich nur wenige. Dabei entging dem Rest eine markante Moderatorin – nicht nur wegen ihrer auffälligen Zahnlücke, sondern mehr noch dank der Haltung dahinter. Etwa über ihr Heimatland.
Schönheit sei eben Geschmackssache, sagt die 44-jährige Kölnerin. „Wenn wir beide zur Halde nach Bottrop fahren und aufs Tetraeder steigen, dann finden Sie das vielleicht furchtbar, aber mir hüpft vor industrieromantischem Glück das Herz.“
Und ein bisschen hüpft das natürlich auch angesichts ihrer neuen Aufgabe, zunächst um halb acht, zum Staffelfinale in der Primetime. 20 Uhr 15. Die Königsdisziplin. Noch immer. Gerade für Frauen. Denn die sind auf dem Sendeplatz noch immer fast so selten wie an den Spitzen von Dax-Konzernen. Ulla Kock am Brink, Linda de Mol, Barbara Schöneberger: die Liste ihrer Vorgängerinnen ist kanalübergreifend kurz. Das weiß auch Sabine Heinrich.
Als Role Model sieht sie sich da zwar nicht. „Aber es ist absolut in meinem Sinne, dass Moderatoren generell diverser besetzt werden“. Und damit meint sie nicht bloß geschlechterparitätisch, „sondern alles von Migrationsgeschichte bis körperliche Beeinträchtigung“.
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Momentan ist es indessen schon bemerkenswert, dass mit Sabine Heinrich eine Frau und dann auch noch unter 50 die Hirschhausen-Pilawa-Jauch-Phalanx durchstößt. „Ich komme aus einer Zeit, als wir in der Primetime bestenfalls den Verkehrsfunk verlesen haben“, sagt die gelernte Zeitungsjournalistin. Und als sie langsam Richtung Bühnenkante rückten, „haben weiterhin Männer die lustigen Sprüche gemacht und wir waren brav.
Es bewege sich zwar auch in der Fernsehprimetime einiges, „aber an dieser Rollenaufteilung darf sich gerne noch mehr ändern“. Denn „wir“ Frauen, fügt sie hinzu, „sind immer noch nicht Teil einer paritätischen Normalität.“ Sätze wie diese bezeugen ein politisches Bewusstsein, das ihre Kollegen lieber für sich behalten. So kann Sabine Heinrich die bräsige Betulichkeit deutscher Abendunterhaltung im Rahmen der Formatzwänge womöglich echt ein wenig aufmischen. „Wir machen ja keinen verfilmten Reiseführer“, beteuert sie noch. Es ist ihr zu glauben.“
Jan Freitag
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