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Medien: Jeder ist ein Experte

Bei der „Rheinischen Post“ schreiben Leser für Leser

Journalisten schreiben für Leser, und Leser lesen, was Journalisten für sie geschrieben haben. Dass Leser für Leser schreiben, ist neu. Die „Rheinische Post“ versucht dies. Seit Mitte Dezember vergangenen Jahres betreibt die Regionalzeitung in Düsseldorf unter www.rp-online.de/opinio ein Internetportal, in dem Leser für Leser schreiben. Die besten Beiträge des Online-Magazins finden sich in der Printbeilage „Opinio“ wieder, deren erste Ausgabe am Mittwoch erschienen ist und fortan 14-täglich der „RP“ beigelegt wird. Thema kann grundsätzlich alles sein, was die Nutzer von „Opinio“, die „Community“, interessiert. Das reicht von Reiseberichten über eine Fotostrecke zum neuen Düsseldorfer Fußballstadion, Kochrezepten und Rezensionen bis zur Vorstellung einer Familie aus Meerbusch, die Sachspenden für die Flutopfer von Sri Lanka sammelt, in der Rubrik „Alltagsheld“.

Dem Konzept zugrunde liegt laut Carsten Schütte eine einfache Erkenntnis: „Jeder ist für irgendwas Experte.“ Davon ausgehend und angeregt durch den Erfolg von Reality-TV-Formaten, „wo man mal sehen kann, was die Nachbarn so treiben“, hat Schütte, Geschäftsführer von „Boogie Medien“ in Hamburg, den Grundgedanken von „Opinio“ als „Consumer Generated Media“ entwickelt. Der Name selbst und andere Details wie die Einteilung von Heft und Portal in Ressorts beziehungsweise Rubriken sind in Zusammenarbeit mit dem Verlag der „Rheinischen Post“ entstanden, der die Verantwortung für Redaktion und Vermarktung trägt.

Auch Torsten Casimir, Redaktionsleiter „Opinio“ bei der „Rheinischen Post“, verspricht sich eine Menge vom neuen Produkt: Er will über das Internet-Portal neue Leser für sein Blatt gewinnen, denn die Marktforschung hat ergeben, dass „Opinio“ besonders die 30- bis 39-Jährigen anspricht. In dieser Zielgruppe haben es die Tageszeitungen schwer.

Besonders gefällt Casimir an „Opinio“ aber „der Spiegel, den wir Profi-Journalisten vorgehalten bekommen“. Er spricht von „Laien-Agenda-Setting“ und einem damit verbundenen „Anregungspotenzial“ , mit dem man vielleicht sogar den Ausweg aus der „Interessenskrise“ zwischen Leserschaft und Redaktion findet. „Opinio ist nicht nur ein neues Medium auf dem Markt, sondern auch die Chance zur Selbstbeobachtung einer Branche, die unter dem Schlachtruf des Blattmachens schon seit Jahren nichts Neues mehr macht. Wir Journalisten sind Bevormundungs-Spezialisten.“

Die Beilage wirkt frisch und bunt, durch den ausbalancierten Wechsel von kurzen und längeren Texten mit Fotostrecken. Doch zeigt sich gerade hier der Eingriff der Redaktion, die zwar laut Carsten Schütte von „Boogie Medien“ vor allem eine „Moderationsfunktion“ hat, aber eben auch den formalen Rahmen vorgibt, Texte kürzt, Absätze umstellt und griffige Überschriften formuliert. Was im Internet mit wenig ausgeprägten professionellen Standards vielleicht geht, kann auf dem hart umkämpften Markt der Printtitel wegen der hohen Ansprüche der Leserschaft nicht funktionieren: Texte abzudrucken, die journalistischen Kriterien so gar nicht genügen.

David Denk

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