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Mitarbeiter von Gruner + Jahr protestieren auf dem Rathausmarkt in Hamburg gegen die Einschnitte beim Zeitschriftensegment.

© dpa / dpa/Jonas Walzberg

Kahlschlag bei Gruner + Jahr-Zeitschriften: Wenn Rendite über Renommee siegt

Das „Titel-Sterben“ beim Hamburger Verlag muss nicht das Aus für Themen und Inhalte bedeuten.

Ein Kommentar von Joachim Huber

Wer in pekuniären Maßstäben denkt, der kann RTL-Bertelsmann-Chef Thomas Rabe nur beipflichten. Zeitschriften, die nicht zugleich zum werbeträchtigen TV-Content taugen, gehören nicht ins Konzern-Portfolio. Also werden 23 Titel und Ableger davon eingestellt, weitere stehen zum Verkauf. Der Verlag Gruner + Jahr, einst eine solitäre Größe in Print-Deutschland, schrumpft im RTL-Bundle auf sehr schmales Format.

Renditemaximalist

Thomas „Rabenvater“ agiert als Renditemaximalist. Er sorgt sich um Zahlen, um Umsatz und Gewinn. Das gelang und gelingt ihm glänzend, der global agierende Bertelsmann-Konzern wird sehr bald die Umsatzmarke von jährlich 20 Milliarden Euro überschreiten, bereits für 2021 wurde ein Gewinn von mehr als drei Milliarden Euro ausgewiesen.

In dieser Ausrichtung sind absehbare Verluste im Publishing-Geschäft ein hässlicher Fleck auf der Gewinnweste. Also wurde das Zeitschriften-Portfolio nach Gewinnern und Verlierern durchforstet, überleben dürfen die Titel, die als multimedialer Content Profit versprechen. Der Bertelsmann-Chef lässt keine Zweifel zu: Renommee ist schön und fein, allemal wichtiger ist die Rendite.

Die Liste der „Überlebenden“ in Betracht genommen, bleiben die Titel bestehen, die auf großes Publikum und damit kommerziellen Ertrag zielen. Für sich genommen kein Schade, was „Stern“, „Capital“ oder „GEO“ ihren Leserinnen und Lesern, Nutzerinnen und Nutzern anbieten, besitzt publizistische Relevanz - im Rahmen des RTL-TV-Mainstreams.

Gruner + Jahr aber war mehr, es wurde in mehr Richtungen, mehr in Höhe, Tiefe und Breite gesellschaftlichen Daseins geschaut und gearbeitet. Nur ein Beispiel aus dem diversen Bereich der „Extensions“: „GEO Epoche“, ein Titel, der historisches Wissen vermittelt, Vergangenes wie Gegenwärtiges wurden durchleuchtet und erklärt. „GEO Epoche“ wird jetzt selbst Geschichte.

Kahlschlag, Niedergang, Zerschlagung, der Jammer darf groß sein, was im Bertelsmann-Universum passiert. Aber Jammern und Proteste werden Thomas Rabe nicht sonderlich beeindrucken noch den eingeschlagenen Prozess ändern. Umso entscheidender und wichtiger wird es sein, dass sich andere Verlage den Bertelsmann-Prozess anschauen - und ihre Schlüsse daraus ziehen.

Der Medienkonzern gibt publizistische Felder frei. Wer traut sich an die Bewirtschaftung eines „GEO Epoche“-Nachfolgers heran? Es wäre großartig, Thomas Rabe nachzuweisen, dass er in seiner Rendite-Fixierung zu eng fixiert ist.

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