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© ZDF

Krimi: Killer mit der Fähre

Fast wie bei den Coen-Brüdern: Der ZDF-Krimi „Mörder auf Amrum“ mit einem grandiosen Hinnerk Schönemann und Barbara Rudnik in ihrer letzten Rolle.

Das ist mal ein skurriler Stammtisch: Malte erschießt seine Hühner mit der Schrotflinte, um sie den Touristen als Fasanenbraten zu verkaufen. Die Post-Angestellte Carla kennt dank versierten Umgangs mit dem Bügeleisen den Inhalt jeden Briefes. Single Sönke ist nur bedingt Single, zu Hause wartet im Doppelbett die ebenso vollbusige wie aufblasbare Dolly. Und Bestattungsunternehmer Jörg sehnt sich mangels Aufträgen nach Leichen. Dieser Wunsch soll in „Mörder auf Amrum“ in Erfüllung gehen.

Der Film von Markus Imboden (Regie) und Holger Karsten Schmidt (Buch) ist ein wunderbar garstiges Kleinod im deutschen Krimifernsehen, komisch und grotesk, voller schräger Figuren und mit Momenten echten Schreckens – man wähnt sich zeitweise in einem Film der Brüder Coen. Die Polizisten sind eine eigene Spezies, nicht die typischen Ermittler, die ins eigene Privatleben verstrickt sind, schon gar keine zupackenden Cops, die sich gerne ins Getümmel werfen. Helge kehrt gerade von einem Ausflug aus Berlin zurück nach Amrum. Er freut sich auf seine Heimatinsel, seine Freunde vom Stammtisch und Gastwirtin Lona. Wie der Sand in den Sanduhren, die Helge seiner Angebeteten seit Kindestagen schenkt, rieselt die Zeit im Leben der Inselbewohner gleichmäßig herab. Ist die obere Füllung der Sanduhr leer, dreht man sie um, das Ganze geht von vorne los. Was soll hier schon passieren?

Zum Beispiel das: Am nächsten Tag taumelt eine angeschossene BKA-Beamtin in die Dienststube der Polizei, begleitet von der jungen Mathilda (Irina Potapenko), die eine Aussage in einem Mordprozess machen soll. Der Zeugenschutz ist aufgeflogen, am Tatort finden sich ein toter Polizist und zwei tote Killer. Als kurz darauf die angeschossene Kollegin das Zeitliche segnet, sind Helge und sein Vorgesetzter Heinz (Thomas Thieme) mit der Frau allein auf der Insel. Es beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Insel-Schupos und Russen-Mafia. Ein Sturm verhindert die Flucht vor den nachrückenden Mordbuben. Gefangen auf der Insel, nehmen Helge und seine Stammtisch-Runde den Kampf mit dem organisierten Verbrechen auf.

Dass der Irrwitz dieses Films ebenso komisch wie wahrhaftig wirkt, ist insbesondere das Verdienst von Hauptdarsteller Hinnerk Schönemann, der Mann für ulkige Polizisten („Dr. Psycho“, „Marie und …“). Sein unsicherer Helge muss über sich hinauswachsen, wenn die Zeugin überleben soll. Schönemanns Art, zu sprechen und sich zu bewegen, trifft diese Gratwanderung genau: Immer am Abgrund entlang, ohne viel Aufhebens zu machen. Das Talent für schräge Figuren hat er ohnehin, man glaubt Helge sofort, dass er ständig die Katastrophe vor Augen hat, aber nur ein einziges Mal wirklich böse wird: als sich der Killer abfällig über Amrum äußert. Und dann ist da noch Barbara Rudnik. Die Rolle der neugierigen Postbeamtin war die letzte, die sie spielte. Wenige Wochen nach den Dreharbeiten starb die Schauspielerin am 23. Mai 2009 an Krebs. Vielleicht hätte man sich einen schöneren Film-Abgang für Barbara Rudnik gewünscht, aber „Mörder auf Amrum“ zählt definitiv zu den Filmen, die ihre lange Mitwirkungs-Liste schmücken. tgr

„Mörder auf Amrum“, ZDF, 20 Uhr 15

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