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Gender-Schreibweisen. 

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Media Lab : „Aktionärinnen und Aktionäre“

Schön wäre es, wenn solche Stilfragen etwas mehr Aufmerksamkeit erzielten. Unser Kolumnist wundert sich über Ansprachen in Geschäftsberichten.

Von Stephan Russ-Mohl

Stand:

Wenn es um Geld geht, sagt ein Sprichwort, hören die Freundschaften auf. Um viel Geld geht es bei den Aktionären, die ihr Erspartes oder Ererbtes in Dax-Unternehmen anlegen. Deshalb ist es wohl nicht nur eine Stilfrage, wie diese Investoren in den Geschäftsberichten angesprochen werden. Auf Englisch geht das einfach, so hat Manfred Piwinger in einer kleinen Studie für das PR-Journal herausgefunden: „Dear Shareholders“, heißt es üblicherweise.

Auf Deutsch ist alles komplizierter: „Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre“ ist der Standard. Etliche Unternehmen, darunter die Deutsche Bank, ersetzen das „Sehr geehrte“ durch „Liebe“ – ein Wort, das nach Auffassung Piwingers an dieser Stelle keinen Platz haben sollte.

Auch sonst ist diese Anrede ja merkwürdig außer Mode gekommen und wird inzwischen gerne durch ein forsches „Hallo“ ersetzt – während ebenso merkwürdigerweise sich die „Lieben Grüße“ als Verabschiedungsformel universell auch dort durchgesetzt haben, wo „Viele“ oder „Herzliche Grüße“ vollauf genügen würden. Dagegen wirkt „Hochachtungsvoll“inzwischen wahrlich vorgestrig.

Zurück zu den Geschäftsberichten: Mit Doppelpunkt gegendert wird bislang nur von Deutsche Wohnen, den Genderstern in der Anrede verwendet der Modekonzern Zalando. Nicht nur seine Aktionärinnen, sondern auch die Aktionäre „verehrt“ die Hannover Rück. Mehrere Häuser adressieren zusätzlich zu den Anteilseignern ihre „Freunde“ – noch nicht dagegen ihre „Freundinnen“.

Ein Unternehmen stilisiert den Kauf seiner Aktien zur heroischen Großtat, indem es die Investoren als „Liebe Heroes“ adressiert. Das funktioniert freilich auch dann nur augenzwinkernd, wenn das berichterstattende Unternehmen Delivery Heroe heißt.

Schön wäre es, wenn solche Stilfragen etwas mehr Aufmerksamkeit erzielten. Piwinger hat dafür das nötige Fingerspitzengefühl. Er war selbst als PR-Chef für ein großes Unternehmen tätig, betreibt weiterhin eine PR-Agentur und publiziert seit Langem eine wissenschaftliche Loseblattsammlung zum Kommunikationsmanagement – ist also einer der alten, weisen Vordenker der PR-Branche.

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