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MEDIA Lab: Kompetenz für den Konflikt

Marlis Prinzing erläutert das Konzept für einen "Friedensjournalismus"

Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Harold Lasswell beschrieb am Beispiel des Ersten Weltkriegs, dass Kriegsberichterstattung kaum von Propaganda zu unterscheiden war. Dies lässt sich bis heute in Teilen der journalistischen Berichterstattung über Kriege beobachten. Das macht es sinnvoll, sich Analysen vorzunehmen, wie sich sachgerechter über Kriege und Konflikte berichten lässt. Wilhelm Kempf ist einer, der sich besonders intensiv mit dem Konzept des „Friedensjournalismus“ befasst hat und in seinem gleichnamigen Buch eine vorläufige Bilanz zieht. Er räumt auf mit einem Missverständnis, das in der Interpretation des Begriffs begründet ist und leicht den Blick auf die Potenziale des Konzepts verstellt. Friedensjournalismus ist weder ein Allheilmittel noch ein idealistisches Wattepack für Traumtänzer; er kann den Frieden nicht machen und Kontrahenten keinen Willen zur Konfliktlösung einimpfen.

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Kern des Konzepts ist Konfliktkompetenz, nicht Friedensaktivismus. Konfliktkompetenz bedeutet, mit einem möglichst breiten Blick über Tellerränder hinauszuschauen. Friedensjournalismus kann auch ein Kooperationskonzept sein: Kriegsreporter vermitteln das Geschehen auf dem Konflikt- oder Schlachtfeld, Auslandsjournalistinnen erläutern Land und Mentalität der Menschen, Diplomatiejournalisten bringen ihre Expertise aus der Beobachtung unterschiedlicher Verhandlungstische ein. Friedensjournalismus ist ein Schnittstellenkonzept, das drei Grundbedingungen erfüllen sollte: Um aus der nötigen Distanz heraus konfliktsensitiv berichten zu können, müssen Journalisten die Eskalations- und Deeskalationsdynamik von Konflikten einschließlich der dabei häufigen Fehlwahrnehmungen erfassen. Sie müssen den konkreten Konflikt kennen. Und sie benötigen ein vernünftiges Misstrauen gegenüber dem allzu Plausiblen. Sie müssen sich fragen, was gegen die eigene These spricht.

Marlis Prinzing

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