zum Hauptinhalt
Legal abtreiben? Fernsehteams vor dem Obersten Gerichtshof in den USA warten auf ein bahnbrechendes Urteil.

© dpa

MEDIA Lab: Medien als Weltverbesserer?

Wissen, was Menschen wirklich von Journalismus erwarten, hilft gerade angesichts großer Themen.

Die Kommunikationswissenschaftler Michael Brüggemann und Torsten Schäfer halten einen bezogen auf Nachhaltigkeit transformativ wirkenden Journalismus für zwingend, schreiben sie in der Zeitschrift „Communicatio Socialis“. Brüggemann wünscht sich „bescheidene Weltverbesserung“ bei allen Berufsgruppen und damit auch bei Journalisten und Journalistinnen.

Auch sie müssten sich fragen, wie sie die Transformation der Gesellschaft in ein im ethischen Sinn gutes Lebensumfeld mitgestalten und ihr Selbstverständnis verändern. Die klassische Vorstellung eines „neutral-distanzierten Beobachters“ blockiere mental. Wirtschaftsberichterstattung zum Beispiel müsse, so Schäfer, bewusst machen, dass Klimaschäden Deutschland jährlich über 150 Milliarden Euro kosten.

[Michael Brüggemann: Plädoyer für eine bescheidene Weltverbesserung. Transformativer Journalismus und transformative Kommunikationswissenschaft. In: Communicatio Socialis, 2/2022, 176-183.]

Der Appell an den Journalismus reicht aber nicht. Um massive Herausforderungen wirkungsvoll zu bewältigen, muss man wissen, wie das Publikum wirklich journalistische Leistung wahrnimmt und was es erwartet. Ein Forschungsteam des Hans Bredow-Instituts verfolgt dazu einen interessanten Ansatz. Es stellte auf der Basis von Daten aus repräsentativen Befragungen in Journalismus und Bevölkerung (2014/15 und 2019) in einer explorativen „Beziehungsstudie“ Selbst- und Fremderwartungen an journalistische Leistungen einander gegenüber.

[Louise Sprengelmeyer / Julius Reimer / Hannah Immler / Wiebke Loosen / Julia Behre / Sascha Hölig: „Neutral vermitteln“ oder „ermächtigend berichten“? Strukturelle Unterschiede von journalistischem Rollenselbstverständnis und bevölkerungsseitigen Erwartungen. In: Medien und Kommunikationswissenschaft, 70 (2022), Heft 3, S. 213-233]

Im Journalismus bestätigten sie ein klassisches Rollenverständnis und zwei Gruppen: jene Gruppe, die sich als unparteiisch und distanziert sieht, und jene, die sich für etwas einsetzt, und persönliche Überzeugungen einbringen will. Aus Sicht der Bevölkerung hingegen solle Journalismus vor allem einordnen, analysieren, zur Teilhabe anregen, nicht nur neutral, sondern „ermächtigend“ berichten. Die Bürger-Erwartungen korrelierten zum Beispiel mit Geschlecht oder Bildungsgrad. Aber: Das sei vermutlich nicht alles, entscheidender Befund ist die Lücke: Weitere qualitative Studien seien nötig.

Sie sollten Erwartungen der Bevölkerung nicht länger vor allem an für das journalistische Selbstverständnis etablierten Kriterien messen, sondern offen angelegt sein, um Merkmale, die den Menschen sonst noch wichtig sind, zu entdecken. Die Welt lässt sich nur gemeinsam, aufgrund gegenseitiger Verständigung besser machen.

Marlis Prinzing

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false