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Digitalkunde. Gut wäre schon mal ein mobiler Computer für jeden Schüler.

© picture alliance / dpa

MEDIA Lab: Nachsitzen für Lehrkräfte

Viele Lehrer in Deutschland müssen nachsitzen, um Medien- und Digitalkunde zu pauken. Sie sind dabei nicht auf sich allein gestellt.

Stand:

Nachrichtenkompetenz ist eine Schlüsselkompetenz in einer demokratischen Gesellschaft. Kinder und Jugendliche sind konsequent zu befähigen, kundig und überlegt mit Nachrichten und Nachrichtenquellen umzugehen. Diese Kompetenz muss von Grund auf geschult werden. Das sehen nach einer neuen Umfrage auch die Lehrkräfte so: Insgesamt 95 Prozent halten Nachrichtenkompetenz für „besonders wichtig“ oder mindestens für „auch noch wichtig“.

Auffallend ist ein Ost-West-Unterschied: In den westlichen Bundesländern sind es 60, in den östlichen 39 Prozent, die das Vermitteln von Nachrichtenkompetenz als „besonders wichtig“ einordnen. Befragt wurden 500 Lehrkräfte an Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien, die in den Klassenstufen 7 bis 10 ein sozialwissenschaftliches Fach oder Deutsch unterrichten. Die Studie führte das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Stiftervereinigung der Presse durch.

Einigkeit besteht darin, dass der Lehrplan zwar Raum für Nachrichtenkunde biete, aber deutlich zu wenig. Die Lehrkräfte richten ihr Augenmerk sehr stark auf die gedruckte Zeitung, obwohl soziale Medien in der Schülerschaft deutlich stärker genutzt werden und obwohl fast jede fünfte befragte Person glaubt, dass viele wichtige Nachrichten verschwiegen werden und nur in sozialen Netzwerken zu finden sind. Jüngere Lehrkräfte bewegen sich zwar öfter auf sozialen Medien, informieren sich aber offenbar weniger intensiv über aktuelle Ereignisse als ältere Lehrende.

Die Mehrheit der Lehrkräfte fühlt sich kundig genug, um den Schülern die nötige Nachrichtenkompetenz beizubringen. Die Studie offenbart, dass dies eine trügerische Selbstwahrnehmung ist. Jeder zehnte Befragte hat noch nie etwas vom öffentlichen Auftrag der Medien gehört.

Die Zeit drängt

38 Prozent sind sich mindestens nicht sicher, ob Medien in Deutschland wirklich die „Mächtigen“ kritisch beobachten und kontrollieren sollen. Und jede zehnte Lehrkraft ist davon überzeugt, dass Medien die Meinungsbildung im Sinne der Regierung lenken sollen.

Die Studie aktualisiert das Bild aus vorherigen Studien. Die Dringlichkeit zu handeln steigt. Desinformation bis hin zu Verschwörungsnarrativen sind Treiber, die Corona-Pandemie offenbarte Qualifikationsdefizite, vor allem bei der digitalen Kompetenz. Ein konkreter Ansatz zur Unterstützung kommt aus Medien und Bildungsorganisationen. Klaus Ott und Tom Soyer von der „Süddeutschen Zeitung“ sind Impulsgeber für ein Projekt, aus dem die bundesweite, neue Initiative „Journalisten machen Schule“ wurde.

Das Netzwerk vermittelt (auch regional) Unterrichtsbesuche von Journalisten, bietet Tipps und Unterrichtsmaterial, auch für digitalen Fernunterricht. Das ist nicht genug. Das Lehrpersonal muss systematisch qualifiziert werden. Auch die Schulpolitik muss nachsitzen. Die Zeit drängt.

Marlis Prinzing

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