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Von Frühling 2010 bis 2015 regierte der ehemalige Guerillero und Blumenzüchter Pepe Mujica Uruguay und sitzt heute als Senator im Parlament.

© Heidi Specogna/WDR

Porträt über Pepe Mujica: Soldat des Lebens

Blumenzüchter und Präsident in Uruquay – Heidi Specognas Dokumentarfilm über Pepe Mujica ist das Porträt einer faszinierenden Persönlichkeit aus Lateinamerika

Pepe Mujica schneidet und sortiert Blumen, gräbt mit einem klapprig aussehenden Traktor den Acker um. Der Hof, den er mit seiner Lebensgefährtin Lucia Topolansky betreibt, ist ein blühendes, hier und dort bröckelndes Anwesen. Er fühle sich frei, wenn er auf dem Feld arbeite, sagt er. „Im weiteren Sinne helfen die Hände beim Denken.“ In seinem anderen Leben arbeitet Pepe Mujica in einem Palast in Montevideo, der Hauptstadt Uruguays. Von 2010 bis 2015 war er in dem südamerikanischen Land Staatspräsident.

Ein alter, grau gewordener Tupamaro-Kämpfer, dessen Schritte beschwerlich wirken, der aber am Rednerpult hellwach und quicklebendig ist und sein Publikum aus dem Stegreif in den Bann schlägt. Auch beim Staatsbesuch in Deutschland, wo er in seinem schlecht sitzenden Anzug neben Merkel, Wulff und Wowereit so herrlich deplatziert wirkt. Mujica wirbt um Investitionen in seinem Land und hält zugleich eine flammende Rede, in der er das Verantwortungsbewusstsein der Wirtschaft anmahnt. Er erntet bei der festlichen Gala ebenso donnernden Applaus wie in einem Armenviertel in Uruguay, wo er um Geduld für seine Politik bittet: „Wir tun nur das Nötigste. Wir sind noch weit davon entfernt, die Not zu lindern, unter der die Ärmsten unseres Volkes immer noch leiden.“

Heidi Specognas Dokumentarfilm „Pepe Mujica – Ein Präsident aus Uruguay“ lebt von der charismatischen Persönlichkeit des heute 81 Jahre alten Ex-Revolutionärs, Politikers und Blumenzüchters, der während der Diktatur 14 Jahre im Gefängnis saß. Die preisgekrönte Schweizer Autorin („Carte blanche“, „Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez“) kannte ihn schon seit den Dreharbeiten zu ihrem Film „Tupamaros“ (1996), an den sie nun anknüpft. An dessen Ende erklärte der Abgeordnete Mujica, er wisse nicht, ob er noch vier weitere Jahre im Parlament aushalte. Er sei ein Bauer geblieben, „ungeeignet dafür, in diesem Marmorgebäude der Förmlichkeit eingesperrt zu sein“. Den Marsch durch die Institutionen hat er dann doch fortgesetzt.

Mujica zitiert Bibel und Aristoteles

Specognas neuer Film konzentriere sich auf die große Frage: Was bleibe von Träumen und Visionen übrig?, sagte sie in einem Interview mit der „tageszeitung“. Und sie gibt Mujica viel Raum, zeigt ihn bei verschiedenen Reden und lässt ihn im Interview auf seinem landwirtschaftlichen Hof über Arbeit und die Hektik der modernen Zeiten, über Sozialismus, die Jugend und das Alter philosophieren. Mujica zitiert die Bibel und Aristoteles. Manchmal klingt er wie Papst Franziskus. „Wir müssen lernen, bescheiden zu leben“, sagt er. Die Menschen bräuchten materielle Dinge, aber sie sollten sich nicht von ihnen versklaven lassen. „Es gibt keine Börse, an der Glück notiert ist.“ Mujica nennt sich „Soldat des Lebens“ und redet viel von Glück.

Den roten Faden des Films bildet die Debatte um die Freigabe des Marihuana-Anbaus, mit dem Uruguay unter der linken Mujica-Regierung besondere Aufmerksamkeit erregt hatte. Ein oppositioneller Senator – der Sohn von Juan Bordaberry, der einst den Weg Uruguays in die Militärdiktatur (1973-85) geebnet hatte – wirft dem Präsidenten vor, heute so und morgen anders zu argumentieren. Das war es denn auch, was Specogna an Gegenpositionen miteinbezieht. Als kritische Bestandsaufnahme des „neuen Wegs“, von dem Mujica spricht, taugt ihr Film also weniger. Als Porträt einer faszinierenden Persönlichkeit, eingebettet in viel Musik und in atmosphärische Bilder vom Alltag in Uruguay, umso mehr.

 „Pepe Mujica – Ein Präsident aus Uruguay“; Arte, Mittwoch, 22. Uhr 55

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