
© Foto: Cartoon Network
Quo vadis, Cartoon Network?: Jubiläum und Ungewissheit
Der Kultkanal Cartoon Network feierte jüngst sein 30-jähriges Jubiläum. Trotzdem muss er um seine Zukunft bangen. Eine Retrospektive.
Stand:
„Süß wie Zucker, scharf wie Pfeffer und bunt wie lauter schöne Sachen.“ Wer sich bei diesem Satz angesprochen fühlt, der ist wahrscheinlich in den 2000ern aufgewachsen. Es war der Beginn des goldenen Fernsehzeitalters, eingeläutet mit den Sopranos (1999). In den folgenden zwei Dekaden spross eine Vielzahl an Serien hervor, die schon jetzt als zeitlos gelten. Doch was beim Realfilm und -fernsehen neue Blüten treiben sollte, entwickelte sich in der Welt des Zeichentrick erst recht zum Erfolgsrezept.
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Am 1. Oktober 1992 ging Cartoon Network als weltweit erster reiner Animationskanal ohne Sendeschluss an den Start. Was seinen Anfang mit Wiederholungen alter Shows wie Tom und Jerry oder den Looney Tunes nahm, mauserte sich durch seine Eigenproduktionen schnell zu einem Freizeitgarant für heranwachsende Kinder auf der ganzen Welt. Dass man damit genau im Trend lag, zeigt ein Blick in die Zahlen: Im Jahr 2000 erreichte der Fernsehkonsum der Drei- bis Elfjährigen in Deutschland seinen bisher aufgezeichneten Höchstwert mit 97 Minuten pro Kind und Tag. Das Aufgebot für die Heranwachsenden war entsprechend groß.
Die goldenen Jahre
Seinen Ursprung hatten die Eigenproduktionen von Cartoon Network im Animationsstudio Hanna-Barbera, das vor allem für Scooby Doo und die Familie Feuerstein berühmt wurde. Der Zukauf des Studios durch den Mutterkonzern Turner ermöglichte dem Kanal, auf ein breites Arsenal an alten Cartoons zurückzugreifen und gleichzeitig das vorhandene Talent für Neuproduktionen einzuspannen. 1994 bildete sich innerhalb von Hanna-Barbera eine eigene Produktionsabteilung für Cartoon Network, die fortan dessen Siegeszug ebnen sollte.
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Seinen Anfang nahm die Erfolgsgeschichte ein Jahr später mit der Sendung What a Cartoon!, in der junge Zeichentrickkünstler ihre Serienideen als siebenminütige Pilotepisoden dem Publikum vorstellen durften. Das Konzept war gewagt, Schöpfer Fred Seibert beschrieb es damals als „48 Chancen auf Erfolg oder Fehlschlag“. Nur eine Handvoll der Pilotfolgen wurde tatsächlich als Serie umgesetzt. Dennoch entwickelte sich die Sendung zum Sprungbrett für eine neue Generation von Animatoren, die den Kanal nachhaltig prägen sollte.
Die erste dadurch angeschobene Serie war Dexters Labor (Dexter’s Laboratory). Sie handelt von einem achtjährigen Kindergenie, welches das Leben seiner Familie und Mitmenschen mit seinen aberwitzigen Erfindungen auf den Kopf stellt. Dexter wächst in einer amerikanischen Familie auf, spricht aber als einziger mit einem osteuropäischen Akzent – eine Anspielung auf den damals 25-jährigen Serienerfinder Genndy Tartakovsky, der mit seiner Familie aus der Sowjetunion in die USA emigrierte als er sieben war. Schon früh zeigt sich im Programm des Kanals eine Mischung aus infantilem Frohsinn und klugem Witz, der Tür und Tor für weit mehr als nur das anfängliche Kinderpublikum öffnen sollte.
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Was Cartoon Network stets auszeichnete, war sein Erfindergeist. Zur Garde der auserwählten Pilotserien zählten auch die eingangs zitierten Powerpuff Girls. Drei Kindergartenmädchen mutieren aufgrund eines missglückten Experiments zu kindlichen Superheldinnen, die ihre Heimatstadt vor dem Bösen retten. Einerseits ist die Serie eine austarierte Parodie des Superheldengenres, die es laut Kritiker Bob Longino im Spielfilm schafft, „als eines der wenigen amerikanischen Machwerke fröhliche Popkultur mit exquisiter hoher Kunst zu verbinden“. Zum anderen spricht sie aber auch die alltäglichen Probleme ihrer normalsterblichen Zuschauer an, wie etwa ausfallende Milchzähne, Körperhygiene oder das Bettnässen. Ein bisschen Hockney, ein bisschen Therapiestunde.
Cartoon Network ist mit uns aufgewachsen.
Enrico Sciacovelli
Doch ebenso wie der Kanal ähnlich einem guten Wein über drei Jahrzehnte heranreifte, entwickelte sich auch dessen Publikum weiter. „Wir Kinder sind nicht nur mit Cartoon Network aufgewachsen, sondern Cartoon Network ist mit uns aufgewachsen“, schwärmt der Animationsenthusiast Enrico Sciacovelli. Mit dem 2001 angelaufenen Nachtsegment Adult Swim schaffte es der Sender, Cartoons von der reinen Kinderunterhaltung in die Erwachsenensparte zu heben und damit seine heranwachsende Zielgruppe zu weiten. „Sendungen wie Regular Show und Adventure Time waren nicht nur beliebt weil sie lustig waren, sondern weil man sich mit ihnen identifizieren konnte.“
Dem Tod von der Schippe
Strategisch war diese Programmerweiterung ebenso geschickt wie notwendig, denn die Produktion von Cartoonserien ist teuer und der Fernsehkonsum von Kindern und Jugendlichen ist in den letzten Jahren rapide rückläufig. 2021 schaute die Gruppe der Drei- bis Dreizehnjährigen in Deutschland nur noch durchschnittlich 46 Minuten täglich. Für ein böses Omen hielten deshalb viele treue Fans die diesjährige Firmenfusion der beiden Mediengiganten Discovery und Warner Bros., von welcher Cartoon Network als Warner-Tochter direkt betroffen ist.
Nach Entlassungswellen bestehen die Teams in der Regel nicht lange fort.
Diane K.
Gegenüber der Nachrichtenseite Polygon bestätigte ein Sprecher von Warner Bros., dass Mitte Oktober 82 Mitarbeitende von Cartoon Network entlassen wurden. Mehr als die Hälfte dieser Stellen werde nicht neu besetzt. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass Animationsstudios in Folge von Firmenfusionen schließen müssen“, verrät Diane K., die selbst in der nordamerikanischen Animationsbranche gearbeitet hat. Nach Entlassungswellen bestünden Teams in der Regel nicht lange fort, aber aktuell sei dies aufgrund der vielen Umbrüche in der Branche schwer einzuschätzen.
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Ähnlich sieht es Sciacovelli: „Der Merger mit Discovery hat bereits dazu geführt, dass einige Shows aus Budgetgründen dem Rotstift zum Opfer fielen. Batgirl war schon in den Startlöchern und ist jetzt nur noch eine Steuerabschreibung.“ Ihn wundere es nicht, dass die Firmenvorstände bei den kostenintensiven Zeichentrickproduktionen sparen wollen. Traurig sei er trotzdem. „Cartoon Network wird seinen damaligen Einfluss nicht so bald wiedererlangen.“ Beim Sender selbst will man davon jedoch noch nichts wissen. „Hey Leute, wir sind nicht tot – wir werden bloß 30!“, entgegnete man den Gerüchten auf Twitter. Außerdem gab es ein paar ermutigende Worte für die Fans: „Wir gehen nicht weg. Wir waren und werden immer eure Heimat für innovative und liebenswürdige Cartoons sein. Mehr in Kürze!“
Zum Schluss lohnt sich noch einmal ein Blick in Cartoon Networks weitreichendes Repertoire. In den goldenen 2000ern gesellten sich Die gruseligen Abenteuer von Billy und Mandy dazu. Im Mittelpunkt stehen die beiden titelgebenden Kinder sowie der Sensenmann Grim. Nachdem Billy und Mandy in einem Limbo-Wettbewerb gegen den Sensenmann gewinnen, wird dieser dazu gezwungen, auf ewig deren bester Freund zu sein, woraus sich letztlich eine Art Hassliebe entwickelt. Vielleicht geht es Cartoon Network ganz ähnlich: Man hat zwar im Firmenpoker den Kürzeren gezogen, aber nur weil einem der Tod ins Haus steht, muss man sich nicht gleich aufgeben. Immerhin sechs Staffeln lang haben Die gruseligen Abenteuer durchgehalten, bis sie abgesetzt wurden. Vielleicht bangt man bei Cartoon Network vor einem ähnlich steilen Sinkflug. Doch manchmal braucht es einfach nur den richtigen Pilot.
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