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Arte-Doku über eine Imamin: Reformerin in Kopenhagen
In Kopenhagen befindet sich Europas erste von Frauen geleitete Moschee. Eine Arte-Doku porträtiert die Imamin Sherin Khankan.
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Die dänische Regisseurin Marie Skovgaard kommt in ihrem Film gleich zur Sache. Bei Sherin Khankan bimmelt das Telefon. Die Anruferin schildert ein typisches Problem. Ihr Mann sei kurz nach der Heirat gewalttätig geworden und habe sie kontrolliert. Sie hat sich von ihm getrennt.
Neben der standesamtlichen will sie aber auch eine islamische Scheidung, damit sie „in ihrem Leben weiter kommt.“ Männliche Imame hätten dies alle abgelehnt. „Leider“, so Sherin Khankan, „gibt es viele Imame, die dieses Recht aus dem Ehevertrag entfernen und den Frauen nicht dabei helfen, sich islamisch scheiden zu lassen, weil sich der Mann weigert.“
Als Imamin bringt Sherin Khankan mehr Verständnis auf für die Probleme muslimischer Frauen. Als reine Frauen-Moschee, in der auch das Freitags-Gebet von einem weiblichen Imam geleitet wird, ist die Mariam-Moschee ein Ort, der Muslimas, die sich in traditionellen islamischen Gotteshäusern nicht wohl fühlen, eine spirituelle Heimat bietet.
Dieses Projekt ist nicht unumstritten. Der Film dokumentiert eine Diskussion im dänischen Fernsehen, in der die Imamin harsche Kritik einstecken muss.
Vor der Kamera erklärt der Imam Kassem Rachid, eine Frau könne „aus physiologischen Gründen“ nicht Imam werden. Weil sie beispielsweise schwanger werden könne. Sherin Khankan verkörpert jedoch den lebenden Gegenbeweis. Sie ist vierfache Mutter und hat sich von ihrem Mann scheiden lassen. Er habe sie vor die Wahl gestellt: entweder Familie oder die Gründung der Moschee. Für sie sei das keine Wahl gewesen. „Ich hätte meine Gedanken nicht mehr denken können“.
Ihre Eltern lebten ihr die interreligiöse Ehe vor
Khankan ist die Tochter einer christlichen Finnin und eines syrischen Flüchtlings. Ihre Eltern lebten ihr die interreligiöse Ehe vor. Mit der Vermählung zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen greift die dänische Imamin ein weiteres Reizthema der konservativ-islamischen Welt auf.
Der Film zeigt, wie drei Vorstandsmitglieder der Mariam-Moschee diesen Schritt nicht mitgehen wollten. Sie kehrten Khankan den Rücken.
Doch die Imamin lässt sich nicht beirren. So dokumentiert der Film auch ihre wohl schwierigste Entscheidung: Die Bitte um eine gleichgeschlechtliche Trauung lehnt die Moschee nach reiflicher Überlegung ab. Für zwei Männer, die sich vor der Kamera vermählen, hält die Imamin nur „eine interkonfessionelle Rede“.
Der Film („Die Reformerin – Wenn der Imam eine Frau ist“, Mittwoch, Arte, 23 Uhr 35) dokumentiert den steinigen Weg einer Frau, die „das Verständnis der Männer für den Glauben zu ändern“ versucht. Sie beruft sich dabei auf eine alte Tradition. Aischa, die jüngste Frau des Propheten Mohammed, soll selbst Gebete vor Männern geleitet haben.
Die Mariam-Moschee hat, so das bisherige Fazit, etwa dreißig interreligiöse Ehen geschlossen, vorwiegend zwischen muslimischen Frauen und nicht-muslimischen Männern. Zehn Frauen habe Khankan zu einer islamischen Scheidung verholfen.
Im Gegensatz zu Seyran Ateş, die als Mitbegründerin der 2017 in Berlin eröffneten Ibn-Rushd-Goethe-Moschee mehr als Hundert Morddrohungen erhielt, kann Sherin Khankan offenbar auf Polizeischutz verzichten. Auch Hate-Speach, die der Imamin in sozialen Netzwerken entgegenbrandet, klingt vergleichsweise moderat.
Ist Dänemark toleranter als Deutschland? „Die Reformerin – Wenn der Imam eine Frau ist“ ist ein wichtiger Beitrag zur Liberalisierung von Religion.
Manfred Riepe
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