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Doku: Reizfigur Calvin

Arte erinnert an Johannes Calvin, den Workaholic unter den Gründervätern der Reformation

Der Mann schlief vier Stunden, aß nur eine Mahlzeit am Tag, schrieb Predigten, Briefe und Bücher am laufenden Band und arbeitete angeblich sogar sonntags, was für einen Theologen ein bisschen heikel ist. Vermutlich konnte er nicht anders: „Ich sehe mich als jemanden, der schüchtern, energielos und kleinmütig ist. Ich fresse meinen Schmerz in mich hinein, so dass ich in keiner Weise meine Arbeit unterbreche“, schrieb Johannes Calvin, der Workaholic unter den Gründervätern der Reformation. Am 10. Juli vor 500 Jahren wurde Calvin in Noyon/Nordfrankreich geboren.

Die knapp 60-minütige Arte-Dokumentation „Johannes Calvin: Reformator und Reizfigur“ lässt das Leben Calvins Revue passieren und folgt ihm nach Paris, Orleans und Straßburg bis nach Genf, wo er 1564 starb. En passant werden die Grundzüge seiner Ideen erläutert. Namhafte Experten wie die Theologie-Professoren Eberhard Busch und Klaas Huizing kommen zu Wort, wobei die Vielzahl der Gelehrten übertrieben erscheint. Spielszenen gibt es nicht, jedoch spricht der Schauspieler Julian Mehne an verschiedenen Schauplätzen Originaltexte von Johannes Calvin.

Die Autoren Werner Köhne und André Schäfer liefern eine wohlwollende, aber nicht unkritische Biografie ab und fragen auch nach Wirkung und aktueller Bedeutung des frommen Mannes. Calvins Lehre von der Vorherbestimmung des Menschen durch Gott hat Generationen in ihrem Selbstverständnis geprägt, in Mitteleuropa vor allem, aber auch in den USA. Sein Einfluss auf die Mentalitätsgeschichte sei kaum zu überschätzen, folgern die Autoren. Aber sie hüten sich, den verbleibenden „Raum offener Fragen“ mit simplen, fernsehtauglichen Urteilen zu verstellen. War Calvin Wegbereiter des Kapitalismus? Trug seine Vorstellung von Selbstverantwortung zur Entwicklung der Demokratie bei, oder war seine „Kirchenzucht“ ein Vorbild für autoritäre Regime? Calvin bleibt Reizfigur. tgr

„Johannes Calvin: Reformator und Reizfigur“, Arte, Samstag, 21 Uhr 50

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