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Medien: Revolutiönchen

Foto statt Fraktur: die „FAZ“ erscheint ab heute im neuen Layout

Die „Welt“ brachte ihre Blattreform schon vor Jahren hinter sich. Die „Süddeutsche“ ist längst zu einer Familien-kompatiblen Zeitung geworden. Die „Frankfurter Rundschau“ erscheint seit Ende Mai im handlich-modischen Tabloid-Format. Nur die „Frankfurter Allgemeine“ (FAZ) schien bisher wie ein Monolith in der deuschen Zeitungslandschaft zu stehen, stockkonservativ und bleiwüstig, und jedem modernen Schnickschnack trotzend.

Doch tatsächlich ist die optische Verjüngungskur, die „FAZ“-Leser heute erstmals in Augenschein nehmen können, eine längst absehbare Weiterentwicklung des Blattes. Nach und nach schlichen sich in den vergangenen Jahren Farbbilder ins Blatt, tauchten rote Kästchen und bunte Infografiken als Orientierungshilfe auf. Die Initialzündung für diesen Prozess war die Erfindung der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vor sechs Jahren. Das Blatt kam bald beim Publikum an und wirkte so ganz anders als die Übermutter „FAZ“ – eleganter, weltläufiger, selbstironischer, wenn auch ein wenig geschwätziger. Die Auflage der „FAS“ stieg kontinuierlich auf 322 521 Exemplare, während die der „FAZ“ (aktuell 361 541 Exemplare) sank. Zum Vergleich: Mitbewerber „Süddeutsche“ liegt bei 443 906 Exemplaren.

„Die Sonntagszeitung hat uns vor Augen geführt, dass die Präsentation das Leseverhalten stärker beeinflusst als gedacht“, sagt Werner D`Inka, einer von fünf Herausgebern der „FAZ“. Mit dieser Erkenntnis war auch die letzte Bastion der Anti-Moderne, die „FAZ“-Titelseite, geschliffen. Bislang wurde hier nur bei außergewöhnlichen Ereignissen des Weltgeschehens ein Foto gezeigt. Genau 33 Mal kam das seit der „FAZ“-Gründung 1949 vor, zuletzt im Mai 2005 bei der Wahl von Papst Benedikt XVI. Ab heute prangt jeden Tag auf der Titelseite ein großes Foto. Die markante Frakturschrift über den Kommentaren wird eingemottet. Beides, der Verzicht auf ein Foto wie das Festhalten an der Frakturschrift, wurde in der Branche mal als liebenswerte Marotte belächelt oder als störender Anachronismus kritisiert. Trotzdem ist die Entrüstung über den Kurswechsel nun groß. Im Internet sammeln sich vor allem negative Stimmen. So urteilt Leser Thomas Kanthak: „Eine Ikone zerstört sich selbst.“ Ein gerade 19-jähriger Leser prangert an, die „FAZ“ ergebe sich der „Beliebigkeit des Massenkonsums“.

„FAZ“-Geschäftsführer Tobias Trevisan, Schweizer und ehemaliger Chef der „Neuen Zürcher Zeitung“, sieht die Entwicklung nüchterner: „Wir müssen es den Leuten wieder einfacher machen, regelmäßig in die Zeitung einzusteigen und sie regelmäßiger zu lesen.“ Werner D`Inka sieht das ähnlich. „Unsere Titelseite war eine klassische Schönheit, aber eben auch eine Schönheit, die als zu streng und kühl empfunden wurde.“ 70 Prozent der vorab vom Allensbacher Institut befragten Leser hätten den geplanten Veränderungen zugestimmt, sagt D`Inka. Nur acht Prozent befürchten demnach, ihre Zeitung werde verwechsel- und austauschbar.

Die Entscheidung, die Frakturschrift abzuschaffen, habe man „mit Wehmut“ getroffen, sagt D`Inka, ein besonnener 52-Jähriger, der seit 1980 in Diensten der „Frankfurter“ steht. „Die Fraktur war immer auch Ausdruck unseres Wunsches, nicht mit dem Mainstream zu schwimmen.“ Doch das Votum der befragten Leser sei eindeutig gewesen. Haben die „FAZ“ und ihre Herausgeber also vor schnöden Umfragewerten kapituliert? Kapitulation sei ein hartes Wort, sagt D`Inka. Aber ein „Schuss Bedauern“ über die Wünsche der Leser sei schon dabei: „Die Leute werden ungeduldiger.“

Von Bedauern ist beim studierten Ökonom Trevisan nicht viel zu spüren. Er analysiert: „In einem rückläufigen Markt müssen wir Marktanteile gewinnen, in dem wir unser Potenzial besser ausschöpfen.“ Mit anderen Worten: Beim „FAZ“-Stammklientel ist nicht mehr viel zu holen, darum müssen neue Leser her. Vor allem Frauen soll die Blattreform ansprechen.

Bereits am Donnerstag wurde die neue Optik den Lesern vorgestellt („Einladend, frisch, übersichtlich“). Zeitgleich mit der Umstellung startet das Blatt eine Imagekampagne, für die Familienministerin Ursula von der Leyen und Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck mit der „FAZ“ posieren. „Sonst hauen wir ja nicht so auf die Pauke“, sagt Herausgeber D`Inka. Es klingt fast ein wenig wie eine Entschuldigung.

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