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Vier Narzissten und eine unglückliche Frau. Henrik Kranz (Tobias Santelmann, v. l. n. r.), Hermine Veile (Agnes Kittelsen), ihr Mann Adam (Simon J. Berger), Jeppe Schøitt (Jon Øigarden) und William Bergvik (Pål Sverre Hagen). Foto: ZDF/Ingeborg Klyve

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Seriendrama aus Norwegen: Vom Leben als Männer-Orgasmus

Sorglos Geld, Sex und Koks nachjagen: Die norwegische Serie „Exit“ erzählt vom Leben in einer Parallelwelt.

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Sieht so Glück aus? Adam Veile (Simon J. Berger), William Bergvik (Pål Sverre Hagen), Henrik Kranz (Tobias Santelmann) und Jeppe Schøitt (Jon Øigarden) haben sich zusammen eine Wohnung gemietet, um dort eine Parallelwelt zu genießen: tabulose Partys mit Prostituierten, Drogen, Gewalt. Dort können die vier Börsenmakler aus Oslos High Society nicht nur ihrem Alltag als Ehemänner und Familienväter, sondern auch ihrem größten Feind entfliehen – der Langeweile.

Es ist doch alles geregelt, das Geld, die Villa, die schöne Frau, die heile Familie, das brausende Auto, da braucht es ein Paralleluniversum für die ungezügelte, unbefriedigte Gier nach Glück. High sein, frei sein, Orgasmus muss dabei sein („Exit“, Samstag, ZDFneo, 23 Uhr 35, acht Folgen, ab Sonntag in der ZDF-Mediathek).

„Exit“ heißt die achtteilige Dramaserie, und schon das Etikett gibt zu verstehen, dass das Leben der vier Narzissten nicht auf ewig so weitergehen kann. Adams Frau Hermine (Agnes Kittelsen) wünscht sich nichts sehnlicher ein Kind. Seit fünf Jahren gelingt keine Zeugung, was nicht an Hermine liegt, sondern an Adam.

Er, der sich selbst beschreibt als jemanden, der es schafft, mit allem irgendwie durchzukommen, hütet ein Geheimnis: Adam hat sich sterilisieren lassen, die Erziehung von Kindern kann er sich nur als (Zeit-)Belastung vorstellen, schon seine Frau und noch mehr deren Mutter empfindet er als anstrengend. Hermine aber findet Mittel und Wege, schwanger zu werden, was den kontroll- wie eifersüchtigen Ehemann vor die entscheidende Frage bringt: Wer ist der Vater?

Die Autoren Øystein Karlsen und Lars Gautneb laden die Personen, die Beziehungen, die äußeren und inneren Umstände mächtig auf. Hat William infolge einer mächtigen Fehlinvestition nicht großen Ärger mit dem „Schweden“? Echte Freunde halten zusammen, also …

Lass die anderen ihr Leben lang dressierte Typen sein

Die Serie berichtet von Menschen, denen die Welt offensteht und die trotzdem immer wieder an Grenzen stoßen. Irgendwie und irgendwo muss da doch eine Exitstrategie existieren, die Flucht, Ausflucht, ja Erlösung bringt. Lass die anderen ihr Leben lang dressierte Typen sein, denen die Familie, diese graue, sozialdemokratische Hölle, heilig ist.

Das alles wird scharfkantig erzählt. Schneidend, schneidig agieren die Kerle, clever sind sie in ihren öffentlichen und verheimlichten Lebenswelten, die Gier ist ihr größter Lebensmotor. Der Adam des Simon J. Berger steht hier im Mittelpunkt, an ihm werden die Affekte und Effekte eines Lebens auf der Überholspur exemplifiziert. Egoismus und Egomanentum sind inkludiert, klar, doch gibt es eben Schwächen und Einfallspunkte, die auch so ein Leben mal ins Wanken bringen können.

Aufbruch und Abbruch bringen die Fiktion unter Druck, spannend, wohin sich die Waage neigen wird. Die Schauspieler spielen sehr männliche Männer, die Schauspielerinnen lösen ihre Frauen erst allmählich aus der Dekorrolle der „Frau an seiner Seite“.

Regisseur Øystein Karlsen sucht in den Sequenzen und Situationen das Abbildhafte dieser Welt, nichts wird übersteigert oder sophistisch. Menschen und Dinge haben ihren festen Platz, die Inszenierung strebt nach keiner zweiten Ebene. „Exit“ wird darüber nicht schlicht, sondern schlichtweg raffiniert.

Die Produktion des norwegischen Senders NRK erzählt aus einer vielleicht schon untergegangenen Welt, als Menschen/Männer sorglos Geld, Sex und Koks nachjagen konnten. Ist das in pandemischen Zeiten so noch möglich? Vielleicht nicht mehr in der Realität, sehr wohl aber als Sehnsucht. Hedonismus ist auch ein Virus.

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