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Dschungelkönig Joey Heindle (m.) mit dem Moderatorengespann Sonja Zietlow und Daniel Hartwich.

© dpa

Dschungelbuch (16): So schlecht wie immer, aber noch schlimmer

Es ist vorbei, Joey Heindle ist Dschungelkönig. Von dem, was diese Staffel angerichtet hat, werden wir uns allerdings so schnell nicht wieder erholen, meint Matthias Kalle. Und die Sendung selbst war dabei gar nicht mal das Schlimmste.

Es war genau so schlecht wie jedes Jahr, trotzdem war es schlimmer – wie kann das sein? „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“ war auch 2013 langweilig, überflüssig, dumm, es handelt sich bei diesem TV-Format, das einige auch „Dschungelcamp“ nennen, um katastrophales Fernsehen. Wer etwas anderes behauptet, der lügt entweder oder der hat keine Ahnung vom Fernsehen, wahrscheinlich beides. Und jetzt ist es vorbei, Joey Heindle ist „Dschungelkönig“, aber von dem, was diese Staffel tatsächlich angerichtet hat, werden wir uns wohl so schnell nicht wieder erholen.

Die täglichen Sendungen auf RTL waren schon kaum zu ertragen, schlimmer aber als das, was da gewohnheitsmäßig gesendet wurde, waren die Feuilleton-Hymnen über dieses Format. So rief der „Spiegel“ zu Halbzeit irre originell einen Mann namens Olivia Jones zur „Dschungelkönigin“ aus – zu dem Format fiel dem „Nachrichtenmagazin“ folgendes ein: „Das ist, neben all dem Voyeurismus, immer noch der Reiz der Show: dass sie die Menschen hinter der Fassade sichtbar macht und der Zuschauer dort nicht nur Abgründe, sondern auch Qualitäten entdeckt.“ Man muss schon vom Fernsehen und vom Leben sehr wenig erwarten, wenn das der „Reiz der Show“ sein soll – und man muss fragwürdige Standards an das Genre Unterhaltung anlegen, wenn man wirklich glaubt, was man da schreibt. Anscheinend aber funktioniert diese Show auch als Metapher für die von vielen eingeforderte Transparenzgesellschaft, in der alles offen gelegt werden soll – was allerdings gesellschaftlich nicht erstrebenswert ist, sollte auch im Fernsehen nicht erstrebenswert sein.

Unterhaltungsfernsehen muss Fassade sein, sonst funktioniert es nicht. Fernsehen als solches muss Fassade sein, sonst wäre es Leben, und wenn das „Dschungelcamp“ das Leben ist, dann verliert der Tod plötzlich jeden Schrecken. Aber in den Feuilletons standen Texte, die sich lasen, als ob Achtjährige die Sendung nacherzählen und sich gleichzeitig sehr viel Mühe geben, um in dem Format sehr viel Interessantes zu entdecken. In Wahrheit aber spielte das deutsche Feuilleton „Ich sehe was, was du nicht siehst“: Viel mehr kann man nicht in eine Fernsehsendung reininterpretieren, und am Ende muss man sich auch die Frage stellen, ob der größere Schwachsinn tatsächlich gesendet oder doch eher gedruckt wurde.

Weil die Feuilletons jedoch den Kampf gegen die Scham nicht gewinnen können, überfrachten sie diese furchtbare Sendung mit einem Sinn, den es nicht gibt. Sie werten den Unfug auf, sie deuten und versuchen in ein Trash-TV-Format – ich wiederhole: in ein Trash-TV-Format! – mehrere Metaebenen einzuziehen, als würde es sich um Literaur oder von mir aus um die US-Serie „Homeland“ handeln. Man muss an dieser Stelle Helmut Berger zitieren, der in der ersten Folge über irgendeine Flitzpiepe, der sich den Akt seiner Zeugung bildlich vorzustellen versuchte, sagte: „Jetzt wird er gewöhnlich.“

Ich würde ausnahmsweise mal einen Satz der beiden RTL-Gagschreiber zitieren, den Sonja Zieltlow fehlerfrei auswendig gelernt und aufgesagt hat und in dem es um die Intelligenz des später gewählten Dschungelkönigs Joey Heindle ging: „Der ist nicht dumm, der hat nur Pech beim Denken.“

Kein Lob dieses Formats übrigens ohne den Hinweis auf die perfekte Inszenierung, das technische Drumherum. Die Kameras! Und all das! Ja. Toll. Dass das Fernsehen im Jahr 2013 nicht mehr aussieht wie das Fernsehen im Jahr 1988, sollte als relativ normal angesehen werden – jubelt ja auch keiner mehr darüber, dass es in Tageszeitungen bunte Bilder gibt (abgesehen davon war das "Dschungelcamp" immer noch sehr weit von dem entfernt, was die BBC während der vergangenen Olympischen Spiele veranstaltet hat; oder von den Standards, die die Shows von Stefan Raab bereits seit Jahren setzen – aber woher sollen die Quartalsformatjubler das wissen?).

Wer das Fernsehen hasst, wer vom Fernsehen nichts erwartet, wer seine Vorurteile bestätigt sehen möchte und Originalität mit Absurdität verwechselt – der trauert jetzt, denn er muss lange warten. Bis zur nächsten Staffel von „Germanys Next Top Model“. Oder bis zum „Tatort“ aus Münster. Oder aber er schustert sich eine neue, völlig haltlose These zum deutschen Fernsehen zusammen: „Wetten, dass...?“ ist die Revolution der Samstagabendunterhaltung; nur die RTL2-Nachrichten beschreiben die Welt, wie sie wirklich ist.

Pech beim Denken. Das kann ja mal passieren. Jetzt ist dann aber auch mal wieder gut.

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