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Medien: „Stern“-Korrespondent festgenommen

Das Magazin vermutet EU-kritische Berichterstattung als Grund

Der Brüsseler „Stern“-Korrespondent Hans-Martin Tillack bekam am Freitagmorgen um sieben Uhr unerwarteten Besuch. In seiner Privatwohnung erschienen fünf Angehörige der belgischen Polizei. Tillack erhielt die Möglichkeit, ein Telefonat zu führen. Er informierte seinen Ressortleiter in Hamburg. Seine Wohnung wurde durchsucht. Anschließend fuhren die Polizisten mit ihm in sein Büro im Internationalen Pressezentrum in Brüssel. Dort wurde er festgesetzt, während die Polizei seine Akten beschlagnahmte und kistenweise aus dem Büro trug. Telefonkontakte mit dem „Stern“ in Hamburg oder jemand anderem blieben über Stunden untersagt. Während die EU-Innenminister nur wenige hundert Meter entfernt tagten, wartete eine vom „Stern“ beauftragte Anwältin vor Tillacks Tür im Flur. Auch sie hatte zunächst nicht die Möglichkeit, mit Tillack zu sprechen. Über die Gründe dieses staatlichen Vorgehens konnte zunächst nur spekuliert werden. In der Auslandsredaktion des „Stern“ ging man davon aus, dass die kritische Berichterstattung Tillacks über Europathemen der Grund für die Durchsuchung war. Tillack hatte in den letzten beiden Ausgaben berichtet, dass Europa-Parlamentarier sich durch gefälschte Unterschriften Tagegelder erschlichen haben sollen oder dass einige Familienangehörige von Europa-Parlamentsabgeordneten Fantasiegehälter aus der Aufwandsentschädigung der Abgeordnetenbüros bezogen haben sollen. Im Büro des Pressechefs der EU-Kommission wurde deshalb davon ausgegangen, dass die belgischen Behörden bei Tillack vertrauliche Akten vermuteten.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel]

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