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Teufelszeug?: Sündige Lektüre

Ein ZDF-Zweiteiler über die Index-Liste des Vatikans

Kann denn Lesen Sünde sein? Für Katholiken schon. 400 Jahre lang, von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil 1966, verbot die „Indexkongregation“ den Gläubigen bei Androhung der Exkommunikation die Lektüre ausgewählter Bücher. Die Liste der 6000 von Rom aus betrachtet verderblichen Machwerke wirkt allerdings verwirrend: Klar, dass die Bibel des abtrünnigen Martin Luther dazu zählte. Keine Überraschung, dass sich der vorlaute Galileo Galilei darauf wiederfand, der nicht nur kühn behauptete, die Erde kreise um die Sonne, sondern dies auch als Wahrheit reklamierte. Im 19. Jahrhundert gelangte auch Heinrich Heine auf die Liste. Der Gutachter pries sogar dessen literarisches Genie. Aber die Werke von Charles Darwin und Karl Marx – man sollte doch meinen, das wäre wahres Teufelszeug? Fehlanzeige. Ebenso erlaubt war dem Katholiken die Lektüre von Adolf Hitlers „Mein Kampf“. Die Zensoren empfahlen: „Verbieten!“ Doch Papst Pius XI. entschied 1937: „Vertagen!“ Dabei blieb es auch.

Das ZDF und die Kölner Produktionsfirma Gruppe 5 konnten mit dem Münsteraner Historiker und katholischen Priester Hubert Wolf den Experten gewinnen, der die Akten der Indexkongregation als Erster erschloss. Gemeinsam mit dem früheren „heute-journal“-Chef Wolf von Lojewski präsentiert er den Zweiteiler „Index – Die schwarze Liste des Vatikan“.

„Ich finde es ganz wichtig, dass die deutsche Universität aus dem Elfenbeinturm herauskommt“, sagt von Lojewski, doch erst einmal macht sich das Fernsehen im Elfenbeinturm breit. Für die Dreharbeiten nutzte die Produktion die imposante Biblioteca Casanatense in Rom, wo die Indexkongregation einst tagte. Es wird bewusst Werkstattatmosphäre geschaffen: Die Technik des Fernsehens bleibt ebenso sichtbar wie die Kameraleute, die manchmal etwas betont durchs Bild der Kollegen laufen. Und mittendrin der Protestant von Lojewski, der zwischen seinen Moderationen und den einzelnen Filmbeiträgen mit dem Katholiken Wolf kurze Dialoge führt. Von Lojewski gibt den aufgeklärten Zeitgenossen, Wolf spielt den „advocatus diaboli“, der sich in die Denkweise der katholischen Zensoren versetzt. Mal was anderes: Wissenschaftsfernsehen als Schlagabtausch zwischen „good guy“ und „bad guy“. Die Idee funktioniert, erst mit der Zeit beschleicht einen das Gefühl, dass hier eine Menge Informationen auf der Strecke bleiben. Wie funktionierte das geheime Verfahren? War die Kongregation wirkungsvoll oder machten Verbote die Werke nicht gerade interessant? Thomas Gehringer

„Index: Die schwarze Liste des Vatikan“, ZDF, Teil 1, 22 Uhr 45, Teil 2, Mittwoch, 22 Uhr 15.

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